Julia Extra Band 0292
bereits den Rahmen für Nickis Zukunft gesteckt hatte. Doch gleichzeitig empfand sie eine unerklärliche Dankbarkeit, die ihr Angst machte.
„Soll ich hier schlafen?“, staunte Nicki.
„Ja.“ Manolo deutete zu dem Raum auf der anderen Seite des Badezimmers. „Und deine Mutter schläft da drüben.“
„Können die Türen offen bleiben?“, fragte sie zaghaft.
Er lächelte sie aufmunternd an. „Aber sicher.“
„Haben wir nicht Glück, Mummy?“
„Ja. Es ist sehr nett von Manolo, dass wir hier wohnen dürfen.“ Shannay fielen unzählige passendere Bezeichnungen für ihn ein, die alles andere als „nett“ bedeuteten.
Er deutete zu den Koffern am Fußende des Bettes. „María packt nachher eure Sachen aus. Macht euch nur schnell frisch, und kommt wieder hinunter“, ordnete er an, bevor er das Zimmer verließ.
Um sich seinen Anweisungen zu widersetzen, packte Shannay selbst die Koffer aus, bevor sie mit Nicki hinunter in den Salon ging.
Zu ihrer Verwunderung war Manolo noch da. Eigentlich hatte sie erwartet und gehofft, dass er sich bis zum Dinner nicht mehr blicken lassen würde. Nach dem langen Flug brauchte sie einfach etwas Abstand von ihm.
María servierte Tee, delikate Sandwichs und frisches Obst. Nicki trank ein Glas Milch, aß aber nur wenig und wurde bald von Müdigkeit übermannt.
„Es wird Zeit zum Schlafen“, entschied Shannay. „Sag Manolo Gute Nacht, Kleine.“
Als Nicki zu ihm ging, um sich zu verabschieden, hob er sie spontan auf die Arme.
„Lass nur, ich nehme sie schon“, wehrte Shannay ab und streckte die Hände aus.
Doch Nicki barg den Kopf an seinem Hals und kuschelte sich vertrauensvoll an ihn, während er sie die Treppe hinauftrug.
Shannay redete sich ein, dass es ihr nichts ausmachte, doch es tat ihr weh. „Danke“, sagte sie steif, als er Nicki behutsam auf das Bett setzte.
„Wir sehen uns dann beim Dinner.“
„Ich bleibe lieber hier oben, falls sie aufwacht.“
„Hier befindet sich ein Babyphon, und in jedem Zimmer sind Empfänger installiert.“ Er blickte sie eindringlich an. „Das Dinner wird in zwei Stunden serviert. Du hast also Zeit genug, um zu warten, bis sie eingeschlafen ist, bevor du mir Gesellschaft leistest.“
Sie hätte ihm gern gesagt, dass er sich zum Teufel scheren sollte. Shannay war gereizt und verärgert und spürte die Auswirkungen des Jetlags. Die Vorstellung, mit ihm zu essen, gefiel ihr ganz und gar nicht. Doch es bot ihr die Gelegenheit, ihm ihre Meinung zu sagen, und das hatte sie dringend nötig.
Manolo beugte sich zu Nicki und küsste sie auf die Schläfe. „Schlaf gut, pequeña .“ Mit einem durchdringenden Blick zu Shannay wandte er sich ab und verließ den Raum.
Sie verspürte den kindischen Drang, ihm hinter seinem Rücken die Zunge herauszustrecken, aber sie riss sich zusammen.
Exakt zwei Stunden und fünf Minuten später ging sie gemächlich die Treppe hinunter in das Esszimmer. Sie verspätete sich absichtlich, um Manolo zu zeigen, dass sie nicht bereit war, sich seinen Anordnungen zu unterwerfen.
Sie trug eine durchsichtige Seidenbluse über einem Trägerhemdchen zu einem hautengen Rock und Stilettos – alles in elegantem Schwarz. Ein lockerer Haarknoten mit juwelenbesetztem Kämmchen, ein schmaler Goldarmreif und ein Hauch von Make-up vollendeten ihre elegante Aufmachung.
Manolo wartete bereits. Ein Blick reichte, um ihren Puls zu beschleunigen. Gekleidet in maßgeschneiderter Hose und weißem Hemd aus feinstem Leinen, sah er überwältigend gut aus. Dazu strahlte er eine Aura von Kraft und Männlichkeit aus, vor der sie sich eigentlich hätte hüten sollen.
Zudem hegte sie so viel aufgestauten Groll gegen ihn, dass es sie viel Beherrschung kostete, nicht unverzüglich zum Angriff überzugehen.
Sei erst mal nett zu ihm. Bleib höflich bei der Vorspeise, be müh dich um Neutralität beim Hauptgang, und eröffne die Diskussion erst beim Dessert.
„Kann ich dir etwas zu trinken anbieten?“, erkundigte er sich höflich.
„Einen leichten trockenen Weißwein, bitte.“
Er holte eine Flasche aus der Bar, schenkte ein Glas ein und reichte es ihr. „Ist Nicki eingeschlafen?“
Sie mied es geflissentlich, seine Finger zu berühren, als sie ihm das Glas aus der Hand nahm. „Ja. Vielen Dank.“
„So höflich?“
Ihre Augen funkelten feurig. „Ich dachte mir, dass wir zunächst Frieden heucheln und den Krieg erst nach dem Dinner eröffnen.“
Mit einem leisen Lachen deutete er zu dem Tisch, der mit
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