Julia Extra Band 0293
den Ohren!“
„Genau wie ihre Mutter, hm?“
Flynn hatte ganz leise gesprochen, und sie murmelte verlegen: „Du sagtest, du hättest Saft.“
„Ja, im Kühlschrank, und im Schrank sind Kekse.“
„Wir dürfen mit dem Nachhausefahren nicht zu lange warten. Die Wege hierherauf sind ganz schön unberechenbar. Im Dunkeln sollten wir da besser nicht unterwegs sein.“
„Willst du schon wieder weg, Caitlin?“
„Überhaupt nicht!“ Sie errötete, während sie alles für ihre Teestunde auf ein Tablett stellte, um es ins Wohnzimmer zu tragen. „Ich weiß, dass wir noch viel besprechen müssen.“
„Die Untertreibung des Jahrhunderts!“, rief er aus und warf Caitlin einen Blick zu, der ihr schlagartig das Gefühl von Wärme und Behaglichkeit nahm. Dann wandte er sich ab, um zu seiner Tochter zurückzukehren.
Während Sorcha bäuchlings auf dem Teppich vorm Kamin lag und mit Wachsstiften auf Flynns unbenutzten Skizzenblock malte, ließ er den Blick zu ihrer Mutter wandern. Sie saß am anderen Ende des Sofas und sah ins Feuer. Der Schein der Flammen verlieh ihrem Haar einen goldenen Glanz, und Flynn seufzte unwillkürlich, sodass Caitlin sich ihm zuwandte.
Er erwiderte ihren Blick und fragte sich nicht zum ersten Mal, wieso sie ihm nicht von Anfang an von Sorcha erzählt hatte. Verachtete sie ihn so sehr? Doch diese Frage stellte er nicht, sondern wählte ein unverfängliches Thema. „Wo ist der Buchladen in London, in dem du arbeitest?“
„Ganz in der Nähe von Tottenham Court Road … Er ist ziemlich bekannt.“
„Weiß deine Tante, dass du mir endlich von Sorcha erzählen wolltest?“, rutschte ihm dann doch heraus.
„Ja, wir haben darüber gesprochen … und sie hatte natürlich ihre Bedenken.“
„Was hält sie überhaupt von der ganzen Sache?“
„Sie hat mir geraten, dir die Wahrheit zu sagen.“
„Hat in all den Jahren, in denen ihr mich von meinem Kind ferngehalten habt, eine von euch jemals auch an mich gedacht?“ Bei diesen Worten war seine Stimme unweigerlich lauter geworden, und Sorcha blickte betroffen von ihrem Bild auf.
„Ich will einen Schneemann bauen!“, erklärte sie dann, erhob sich und stellte sich erwartungsvoll vor Flynn, wobei sie die Hände in die Hüften stützte. „Du musst mir helfen.“
Flynn war darüber so überrascht, dass er seine Verärgerung vergaß. Er stand auf und hielt seiner Tochter die Hand hin. „Es ist schon Jahre her, als ich zuletzt einen Schneemann gebaut habe, Darling. Ich weiß gar nicht mehr, wie das geht.“
„Mach dir keine Sorgen“, antwortete Sorcha zuversichtlich und schob ihre kleine schmale Hand lächelnd in seine, „ich zeig’s dir!“
Während die beiden auf die Verandatür zugingen, rief Caitlin von der Couch aus: „Vergiss nicht, Mantel, Mütze und Handschuhe anzuziehen, Sorcha Burns!“
Flynn hielt einen Moment inne und warf Caitlin einen Blick zu, der deutlich machte, was er davon hielt, dass Sorcha nicht seinen Namen trug. Als Caitlin dabei sanft errötete, spürte er eine gewisse Genugtuung.
5. KAPITEL
Besorgt stellte Caitlin fest, dass der Wintertag schneller zu Ende ging als geplant und dunkle Schneewolken aufzogen. Während Sorcha und Flynn draußen waren, hatte sie sich im Cottage ums Feuer gekümmert, sodass es auch weiterhin eine einladende Wärme ausstrahlte. Auf dem bequem gepolsterten Sofa war Sorcha nach dem Schneemannbauen neben ihrer Mutter fest eingeschlafen. Die Kälte hatte ihrem kleinen Körper doch sehr zugesetzt, und die heiße Schokolade, die Flynn ihr anschließend zum Aufwärmen gemacht hatte, trug dazu bei, dass der Kleinen bald die Augen zufielen. Man sah nur noch das gerötete Gesichtchen und das blonde Haar, das sich wie gesponnenes Gold über die blauen, roten und grünen Karos der Wolldecke ergoss.
Dabei mussten sie eigentlich so schnell wie möglich aufbrechen, wenn sie heute noch fahren wollten. Im Dunkeln den Weg nach Hause durch die Berge zu wagen, wäre heller Wahnsinn. Einmal mehr eilte Caitlins Blick besorgt zum großen Panoramafenster, hinter dem es nicht nur immer düsterer wurde, sondern jetzt auch noch zu schneien begann.
Flynn hatte sie nun schon eine ganze Weile allein gelassen.
Den appetitlichen Gerüchen nach zu urteilen, war er in der Küche und machte etwas zu essen. Caitlins Magen knurrte schon. Aber Hunger hin oder her, sie würde darauf bestehen müssen, dass sie sofort aufbrachen.
Gerade als Caitlin beschloss, ihm das mitzuteilen, kam er ins Zimmer zurück, und
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