Julia Extra Band 0293
sie zur Tür, in der jetzt Tallie sichtbar wurde. Auf Krücken gestützt kam sie ins Zimmer gehumpelt. Die drei Männer sprangen auf.
Paul und Dyson überschlugen sich, ihr einen Stuhl anzubieten, während Elias sich damit zufriedengab zu fragen: „Was um alles in der Welt ist passiert?“
Sie sah furchtbar aus. Die Kleidung hatte Risse, ihre Haare waren zerzaust und über ihre Wange zog sich ein Kratzer. Ihr linkes Bein steckte bis zum Knie in einem lilafarbenen Gipsverband.
Tallie lächelte kläglich. „Ich bin von einem Auto angefahren worden.“
Elias starrte sie an. „Was?“
„Nicht wirklich angefahren. Eher gestreift. Ich habe gerade die Straße überquert, und ein Fahrer hat gewendet und …“, sie zuckte die Schultern, „… er hat mich wohl auf dem Zebrastreifen übersehen.“
„Und was zum Teufel tun Sie hier? Warum sind Sie nicht im Krankenhaus?“
„Schreien Sie nicht.“ Tallie war zusammengezuckt. „Und hören Sie auf, hin und her zu laufen. Davon bekomme ich Kopfschmerzen.“
Elias blieb stehen und wirbelte herum. „Haben Sie eine Gehirnerschütterung? Ihre Wange ist verletzt“, fiel ihm erst jetzt auf. Rasch beugte er sich über sie, um sich die Wunde genauer anzusehen. Ihre großen braunen Augen waren nur wenige Zentimeter von seinen entfernt. Abrupt richtete er sich wieder auf. „Warum sind Sie nicht im Krankenhaus?“, wiederholte er.
Es gelang ihm gerade noch, seinen Tonfall zu mäßigen. Am liebsten hätte er jemand erwürgt, am allerliebsten diesen Autofahrer.
„Weil“, entgegnete Tallie gelassen, „man heutzutage die Menschen nicht mehr im Krankenhaus behält. Man verarztet sie und schickt sie nach Hause. Und …“, sie hob die Hand, um seiner nächsten Frage zuvorzukommen, „… weil es keinen Grund gibt, zu Hause zu sitzen, wenn ich genauso gut hier sein kann. Ich habe mir nur den Knöchel gebrochen. Dazu ein paar Schnittwunden und blaue Flecken.“ Sie veränderte ihre Sitzposition und zuckte zusammen, dann lächelte sie wieder. „Keine große Sache.“
Elias starrte sie an. Ebenso Paul und Dyson.
„Sie hätten tot sein können!“, schrie Elias.
„Ich weiß“, antwortete Tallie leise. Ein kleines Zittern lag in ihrer Stimme. „Aber ich lebe noch. Offensichtlich hat das Schicksal andere Pläne mit mir …“, sie grinste, „… zum Beispiel Ihnen das Leben zur Hölle zu machen?“
Elias stieß ein Schnauben aus und fuhr sich durch die Haare. Er ließ die Fingerknöchel knacken, griff nach einem Stift und begann wieder, auf und ab zu laufen. Wie konnte sie erwarten, dass er still stehen blieb? „Mit Ihnen komme ich schon zurecht“, murmelte er. Oder zumindest würde er das, wenn sie aufhörte, so dumme Dinge zu tun oder, wenn sie nach Hause ging und sich ausruhte oder die Nägel feilte oder ihre verdammten Plätzchen backte …
Der Bleistift zerbrach in der Mitte.
„Mir geht es gut, alles in Ordnung.“ Nun hörte sie sich an, als würde sie ihn beruhigen! „Ich habe mir schon früher den Knöchel gebrochen. Das ist jetzt das dritte Mal. Schlimm ist nur“, meinte sie traurig, „dass meine Zimtschnecken im Rinnstein gelandet sind.“
„Das ist das Schlimme, ja?“ Elias konnte es nicht fassen. „Niemand braucht diese verfluchten Zimtschnecken!“
„Ich wette, sie waren fantastisch“, sagte Dyson grinsend.
Tallie ignorierte Elias und erwiderte Dysons Lächeln. „Ich backe neue“, versprach sie.
„Großartig.“
„Das wäre toll“, stimmte auch Paul begeistert ein.
Sahen diese Idioten denn nicht, dass ihre Hände verletzt waren? Den Gipsverband um ihr Bein? Elias knirschte mit den Zähnen. „Sie hat sich den Knöchel gebrochen. Sie wird keine Zimtschnecken backen!“
„Ich meinte natürlich, wenn es ihr besser geht“, beeilte Paul sich zu versichern.
Tallie nickte zustimmend. „Können wir jetzt mit der Besprechung fortfahren? Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe. Ich wurde …“
„Von einem Auto angefahren“, fiel Elias ihr ins Wort. „Haben Sie Ihren Vater angerufen?“
„Selbstverständlich nicht!“ Tallie zog ein Gesicht, als würde ihr das im Traum nicht einfallen.
„Er weiß es nicht?“
„Niemand weiß es. Außer den Leuten im Krankenhaus und euch. Mein Vater würde sich nur unnötig aufregen.“
„Das hat er bereits. Er hat heute Morgen angerufen.“
Die wenige Farbe, die noch auf ihren Wangen lag, verschwand. „Er hat hier angerufen?“
„Er hat Sie gesucht. Hat sich Sorgen gemacht. Er meinte,
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