Julia Extra Band 0293
gehabt hatte. Sie schien ihren Job wirklich ernst zu nehmen.
Die Stimmung in der Firma wirkte gedrückter als sonst. Kein Zimtduft lag in der Luft, kein fröhliches Geplauder war zu hören. Aber alle Mitarbeiter steckten den Kopf in sein Büro und fragten, wo Tallie war.
„Woher soll ich das wissen?“, antwortete Elias zunehmend gereizter.
Er wusste nicht, wo sie war, und es kümmerte ihn auch nicht – redete er sich zumindest ein. Unruhig griff er nach einem Kugelschreiber, lehnte sich auf seinem Sessel zurück und atmete tief ein. Zum ersten Mal, seit sein Vater ihn mit den schrecklichen Neuigkeiten überfahren hatte, fühlte er sich leichter.
Leerer.
Leerer?
Unsinn. Er hatte sich nur an das Stimmengewirr gewöhnt, das Tallie normalerweise umgab. In null komma nix würde er sich auch wieder an die Stille gewöhnen. Das war alles.
Sein Telefon klingelte. Er wünschte, es wäre sein Vater, damit er ihm sagen konnte, dass die neue Präsidentin von Antonides Marine heute nicht aufgetaucht war.
Stattdessen drang eine schroffe männliche Stimme an sein Ohr. „Savas hier.“
Elias richtete sich auf. „Ja, Mr. Savas“, sagte er. „Was kann ich für Sie tun?“
„Holen Sie meine Tochter an den Apparat.“
„Wie bitte?“, fragte er stirnrunzelnd.
„Ich möchte mit Thalia sprechen.“ Pause. „Sie geht nicht an ihr Mobiltelefon, weil sie weiß, dass ich sie anrufe.“
„Warum?“, musste er einfach fragen.
„Vermutlich weil Sie es ihr gesagt haben“, erwiderte Socrates.
Weil ich es ihr gesagt habe? Elias Gedanken rasten.
„Was halten Sie von meiner Tochter?“, fragte Socrates unvermittelt.
„Sie ist … sehr intelligent.“
„Selbstverständlich ist sie das. Sie ist eine Savas! Und hübsch dazu, finden Sie nicht?“
„Sehr hübsch“, stimmte Elias so leidenschaftslos zu, wie er konnte. Sie war atemberaubend attraktiv, aber das würde er dem alten Mann nicht auf die Nase binden.
„Genau das sage ich ihr auch immer. Warum will sie dann unbedingt Karriere machen? Sie ist eine Frau! Und zwar hundertprozentig. Eine Frau wie meine Thalia sollte heiraten und Kinder bekommen, nicht wahr?“
Vor Elias’ geistigem Auge flackerten Bilder von kleinen Martins auf Tallies Schoß auf. Er umklammerte den Hörer fester. „Wenn sie das möchte. Wer weiß?“, entgegnete er beiläufig.
„Ich weiß es!“
Unvermittelt empfand Elias Mitleid mit Tallie. Ihr Vater war ebenso schlimm wie seine Mutter.
„Und wenn sie verheiratet ist, brauche ich mir keine Sorgen mehr zu machen, wo sie steckt“, fuhr Socrates fort. „Das ist dann das Problem ihres Ehemannes. Sagen Sie ihr, sie soll mich anrufen.“ Das war ein Befehl, keine Bitte.
Elias konnte sich genau vorstellen, wie Tallie darauf reagieren würde. Der Gedanke brachte ihn zum Lächeln. Er ging ins Vorzimmer, froh, endlich einen Grund zu haben, um herauszufinden, wo zur Hölle sie war.
„Rufen Sie Miss Savas an“, sagte er zu Rosie. „Sie hat sich verspätet.“
Ungeduldig tappte er mit dem Fuß auf, während seine Assistentin es sowohl bei Tallie zu Hause, als auch auf ihrem Handy versuchte. Offensichtlich nahm sie auch seine Anrufe nicht entgegen.
„Glaubst du, sie ist krank?“, fragte Paul.
„Dann sollte sie zu Hause im Bett sein, oder? Ich bin sicher, sie hat einfach bessere Dinge zu tun.“
„Was denn zum Beispiel?“ Paul sah ihn verwirrt an.
„Woher soll ich das wissen? Wir warten nicht länger.“ Elias wandte sich um und marschierte ins Besprechungszimmer.
Gehorsam, aber durchaus besorgt, folgten Paul und Dyson ihm.
Das Meeting verlief wie alle Meetings vor Tallies Zeit. Einer von ihnen, in diesem Fall Dyson, spielte den uninteressierten Zuschauer, der weder etwas zu gewinnen noch zu verlieren hatte. So waren sie schon oft vorgegangen, die Strategie hätte ihnen längst zur zweiten Natur werden sollen. Aber irgendwie hatten sie sich daran gewöhnt, dass Tallie fragte: „Ja, aber was ist mit den Kindern?“
Jetzt gab es immer wieder Pausen, in denen Elias spürte, wie sie auf ihren Beitrag warteten.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen.
Alle drei blickten auf.
Etwas Silbernes erschien auf der Schwelle. Es folgte ein dumpfer Schlag, ein Rums, dann eine verärgerte Frauenstimme. Rosie öffnete weit die Tür und sagte: „Um Himmels willen, lass mich das machen! Was machst du eigentlich hier?“
„Ich arbeite hier!“, ließ Tallie sich vernehmen, trotzig und entschlossen und …
Was zum Teufel?
Verwundert starrten
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