Julia Extra Band 0293
Moment, der sich wirklich echt anfühlte.
Draußen kreischte ein Vogel, und ein Fensterladen schlug leicht gegen die Außenmauer. Damit war der magische Augenblick unterbrochen, und Susan bemerkte, wie sich Distanz und Kälte in Julians Augen ausbreiteten.
„Genug gesehen?“, fragte er knapp.
„Ja“, gab sie tonlos zurück.
„Und hast du deine Meinung geändert?“
„Nein.“ Sie verzog das Gesicht. „Du schnarchst.“
Er schüttelte den Kopf. „Das hat mir noch niemand gesagt.“
„Vermutlich weil keine Frau die ganze Nacht bei dir bleibt“, konterte sie.
„Stimmt.“ Eigentlich hatte er widersprechen wollen, aber nun dachte er erst mal über ihre Worte nach. „Ich glaube tatsächlich nicht, dass ich vorher schon einmal die ganze Nacht über das Bett mit einer anderen Person geteilt habe“, fügte er hinzu.
Entschlossen sprang sie aus dem Bett und suchte ein paar Kleidungsstücke aus dem Schrank. „Was machen wir heute?“
„Jan und Hilda zeigen uns die Baustelle. Wir werden über das Geschäft reden, während ihr Frauen Klatsch und Tratsch austauscht. Danach gehen wir alle zum Sonnenbaden an den Strand, schwimmen und surfen. Morgen möchte Jan dann unsere Präsentationen sehen.“
„Ich bin tatsächlich nur als schmückendes Beiwerk hier“, überlegte Susan laut. „Und da reden die noch von Familienwerten.“
„Ein ausgesprochen entzückendes Beiwerk“, korrigierte Julian sie grinsend, nachdem er plötzlich hinter ihr aufgetaucht war. Dann murmelte er in ihr Ohr: „Wenn ich doch nur mal davon naschen dürfte.“
„Hör auf!“, zischte sie, und er lachte vergnügt.
„Du bist so leicht auf die Palme zu bringen, mein Liebling. Das macht die ganze Sache noch spaßiger.“
Wütend drehte sie sich zu ihm um, doch er verschwand schon lachend im Bad.
Als Susan später selbst unter der Dusche stand, dachte sie darüber nach, wie Julian wohl als Liebhaber war. Sosehr sie es sich auch verkneifen wollte, das Thema Sex interessierte sie neuerdings brennend. Um ehrlich zu sein, dachte sie in Julians Gegenwart fast ständig daran. Und gleichzeitig zerbrach sie sich den Kopf darüber, was ihn so unausstehlich gemacht hatte – und wie man das wohl wieder ändern konnte.
„Dein Problem ist“, erzählte sie ihrem beschlagenen Spiegelbild, „dass dir seit Danis Abreise jemand fehlt, um den du dich kümmern kannst. Du bist einsam und brauchst eine neue Aufgabe.“
Die Erkenntnis war schrecklich ernüchternd. Und traurig. Susan musste sich ernsthafte Gedanken darüber machen, wie der Rest ihres Lebens aussehen sollte. Denn seit ihre Schwester ihr eigenes Leben führte, hing sie in der Luft, ohne eine Vorstellung davon, wie sie ihr eigenes Glück finden sollte.
Eilig zog sie sich eine weiße Caprihose, ein knappes Top und eine enge, pinkfarbene Seidenbluse an. Das war sportlich, trotzdem elegant, und man konnte die Bluse später abstreifen, falls es zu heiß wurde. Anschließend band sie ihre Locken zu einem losen Knoten hoch und trug ein leichtes Make-up auf.
„Vergiss deinen Badeanzug nicht“, riet Julian ihr, als sie zurück ins Schlafzimmer kam.
Entsetzt dachte sie an den winzigen jadegrünen Bikini, den die Boutiqueverkäuferin ihr anstelle eines gewöhnlichen Badeanzugs aufgeschwatzt hatte. Die Vorstellung, in diesem Hauch von Nichts vor Julian zu stehen, machte sie unsicher und verletzbar.
Widerwillig packte sie den Bikini, eine Flasche Sonnenmilch und einen Sonnenhut in ihre Strandtasche. Draußen vor der Villa warteten bereits zwei Jeeps auf sie. Im ersten saßen Jan und Hilda, und auf dem Rücksitz hatten sich Geoffrey und Lara ihre Plätze reserviert. Ohne Zweifel ein Versuch, sich bei ihren Gastgebern einzuschmeicheln.
Dan bot sich an, den zweiten Jeep zu fahren, daher blieb Susan nichts anderes übrig, als sich mit Julian die Rückbank zu teilen. Dicht an ihn geschmiegt stellte sie sich vor, wie gut es sich anfühlen würde, wenn diese Nähe echt wäre.
Das Wochenende wurde allmählich gefährlich – Julian wurde ihr gefährlich. Und das Schlimmste war, sie konnte sich selbst nicht mehr vertrauen. Weder ihrem Körper noch ihrem Verstand oder ihrer Seele.
Sie wollte einfach, was sie noch nie gehabt hatte.
„Vorsicht, Liebling“, murmelte Julian ganz dicht an ihrem Ohr. „Du siehst im Augenblick nicht gerade glücklich aus.“
Wendy drehte sich lächelnd zu ihnen um, und Susan tätschelte eilig Julians Oberschenkel. Doch dieser griff energisch nach ihrer Hand und
Weitere Kostenlose Bücher