Julia Extra Band 0293
was ihr Exmann machte und ob er glücklich sei?
Sie war die einzige Frau, für die er jemals so leidenschaftliche Gefühle empfunden hatte. War es Liebe auf den ersten Blick gewesen? Nicht ganz, aber verdammt nahe dran, gestand sich Ethan ein.
Er hatte jedenfalls nicht vor, noch einmal mit Claire zusammenzukommen, obwohl er Auseinandersetzungen sonst nicht grundsätzlich scheute. Aber sie hatte ihn schon immer dazu gebracht, sich anders zu verhalten, als er gewohnt war.
Sonst hätte er sie nicht nach einigen Verabredungen geheiratet. Oder nach wenigen Tagen der Scheidung einer Ehe zugestimmt, von der er geglaubt hatte, sie würde ein Leben lang dauern.
Plötzlich war es ihm, als wäre er in die Vergangenheit zurückversetzt, als wäre er wieder der sechsundzwanzigjährige, ehrgeizige Wachmann in der zweiten Schicht im Verwaltungsgebäude der Mayfield Corporation, Chikago. Die Firma produzierte Kosmetik und pharmazeutische Mittel, sie besaß Filialen in siebzehn Ländern der Erde, und sie war in Familienbesitz.
Claire, damals erst einundzwanzig, war sehr zurückhaltend gewesen, eigentlich schon schüchtern. Eine zierliche, verletzlich wirkende Frau, die seine Beschützerinstinkte weckte.
Und so wunderschön!
Ihr dunkles Haar hatte ihr bis zur Taille gereicht, und manchmal hatte sie sich dahinter verborgen, als wäre es ein Schleier. Als sie richtig miteinander ausgingen, hatte er es ihr gern hinter die Ohren geschoben, um ihr Gesicht besser sehen zu können.
Als er diese Geste das erste Mal machte, hatte sie ihn erstaunt angeblickt und dann gelächelt. Und ihm war, als würde die Welt um ihn herum aufhören zu existieren.
Claire war die einzige Frau, die diese Wirkung auf ihn ausübte.
Nun sagte er sich, dass er das Gefühl nicht vermisste, die Kontrolle über sich und seine Empfindungen zu verlieren. Das Gefühl, nicht mehr ganz sich selbst zu gehören …
Damals hatte Claire ein Praktikum in der Marketingabteilung absolviert und die Firma jeden Tag um halb sechs verlassen, gerade wenn er seine Essenspause in der Cafeteria machte. Claire kaufte jeden Tag eine Flasche Mineralwasser für den Heimweg, und zuerst hatte er nicht gewusst, dass sie die Tochter des Firmeninhabers war. Und selbst wenn, hätte es nichts geändert.
Er war zwar in einem der ärmlichen Viertel im Süden Chicagos aufgewachsen, aber über fehlendes Selbstbewusstsein oder einen Mangel an Stolz konnte er nicht klagen.
Nein, er hatte nie gefunden, er sei nicht gut genug für Claire Mayfield! Was machte es schon, dass sein Studienabschluss nicht von einer der Eliteuniversitäten stammte? Was machte es, dass die Mayfields ständig in Zeitungen und Illustrierten erwähnt wurden, während der Name seines Vaters nur einmal in der lokalen Zeitung gestanden hatte – in der Todesanzeige.
Beim Tod seines Vaters war Ethan, der älteste Sohn, erst elf Jahre alt gewesen. Sie waren so arm, dass sie in der Anzeige hatten bitten müssen, auf Kränze und Blumen zu verzichten zugunsten eines Beitrags für die Begräbniskosten.
Sein Vater, der mit dem Motorrad tödlich verunglückt war, hatte zeitlebens nur schlecht bezahlte Jobs gefunden. Für eine Lebensversicherung oder ein Sparbuch hatte das Geld nie gereicht. Er hinterließ eine Menge Schulden und eine völlig gebrochene Ehefrau.
Mary Seaver schaffte es kaum, ihre drei Söhne durchzubringen. Tatsächlich war sie eine Zeit lang so am Boden zerstört, dass sie sich nicht mehr um ihre Kinder kümmern konnte, und die Jungen vorübergehend zu einer Tante in Pflege kamen.
Ethan erinnerte sich noch gut, wie verwirrt und verängstigt er und seine Brüder gewesen waren, als die Sozialarbeiter sie abholten.
Damals hatte er sich geschworen, nicht dieselben Fehler wie sein Vater zu machen, sondern es im Leben zu etwas zu bringen. Diesem Ziel war er, wie er fand, schon ein gutes Stück näher gekommen durch sein Diplom und der ständig wachsenden Summe auf dem Konto, mit dessen Hilfe er eines Tags seine eigene Firma gründen würde.
Ja, er war – seiner Meinung nach – nicht zu verachten. Nachdem er Claire einige Tage lang zuerst nur angelächelt und ihr dann grüßend zugenickt hatte, bat er sie um ihre Telefonnummer, die sie, errötend, auf einer Papierserviette notierte.
Nach dem ersten Date – während seiner Essenspause – hatte er ihr zum Abschied nur die Hand geschüttelt, während sie auf den Chauffeur wartete. Noch immer erinnerte er sich daran, wie kühl sich ihre schmalen Finger in seiner
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