Julia Extra Band 0294
Weinglas, das in der Tat riesig war, bis auf den letzten Tropfen. „Ich glaube, ich bin nie richtig erwachsen geworden. Deshalb bin ich auch total ungeeignet als Mutter.“
„Nicht unbedingt. Wenn man ein kindliches Gemüt hat, versteht man sich unter Umständen sogar besser mit Kindern.“
Candy stieß ihren typischen verächtlichen Laut aus. „Ich mag keine Kinder. Sie sind zu fordernd, zu zeitaufwendig, zu unordentlich. Du kannst nie tun, wonach dir gerade ist, wenn du Kinder zu versorgen hast, ganz zu schweigen von einem Ehemann. Und neun Monate lang ein Baby auszutragen … Furchtbar! Meine Mum war echt hübsch auf den Fotos von früher, bevor sie uns gekriegt hat. Jetzt sieht sie zehn Jahre älter aus, als sie ist.“
„So muss es aber nicht sein.“
„Du würdest wirklich für mindestens achtzehn Jahre deine Freiheit aufgeben, um die Kinder von irgendeinem Mann aufzuziehen?“
„Nicht von irgendeinem, nein.“
„Oh nein! Nicht schon wieder der!“
„Du hast gefragt, und ich habe geantwortet. Und ehrlich gesagt, kann ich mir nichts Schöneres vorstellen, als mit ihm zusammen Kinder zu haben. Tut mir leid, so bin ich nun mal.“
„Dann hättest du eben sein Angebot annehmen und ‚zufällig‘ schwanger werden sollen. Damit hättest du ihn bestimmt halten können.“
„So etwas würde ich nie tun!“, rief Gina entsetzt.
Candy musterte sie nachdenklich. „Nein, wahrscheinlich nicht. Und weißt du was? Dein Harry ist ein ausgemachter Trottel.“
„Da muss ich dir allerdings recht geben.“ Gina lächelte ein wenig wehmütig und stellte ihr halb volles Glas auf den Tisch, denn sie fühlte sich bereits ein wenig berauscht. „Lass uns jetzt gehen. Ich habe Hunger.“
Lachend und plaudernd verließen sie die Wohnung im zweiten Stock eines viktorianischen Mietshauses und polterten die Treppe hinunter. Candy öffnete die Tür zur Straße, wich hastig einen Schritt zurück und trat Gina prompt auf die Zehen.
Candys überraschter Ausruf mischte sich mit Ginas Schmerzenslaut. Gleichzeitig ertönte eine tiefe Männerstimme: „Tut mir leid, dass ich Sie erschreckt habe. Ich wollte gerade klingeln.“
Ginas Lippen formten seinen Namen, doch sie brachte keinen Ton heraus.
Candy musterte den großen dunklen Mann auf der Schwelle, der nur für Gina Augen hatte, und sagte kalt: „Ich nehme an, Sie sind Harry Breedon?“
Überraschung spiegelte sich auf seinem Gesicht. „Ja, aber woher wissen Sie das?“
„Was meinen Sie wohl?“
Statt zu antworten, fragte er Gina. „Wie geht es dir?“
Sein unverhofftes Auftauchen hatte ihr für den Moment die Sprache verschlagen.
„Es geht ihr blendend“, warf Candy barsch ein. „Nächste Frage?“
„Verzeihen Sie, ich glaube nicht, dass wir uns kennen.“
„Zum Glück nicht!“
„Bitte, lass es gut sein“, flüsterte Gina. Sie wandte sich an Harry. „Was tust du denn hier?“
„Ich war gerade in der Gegend und wollte einfach mal sehen, wie es dir so geht.“
Candy baute sich vor ihm auf und reckte die flache Brust vor. „Soll das heißen, dass Sie auf einen Quickie aus sind? Oder wollen Sie sich entschuldigen, weil Sie Gina so unglücklich gemacht haben?“
„Was reden Sie denn da für einen Unsinn?“, konterte er schroff. „Gina und ich sind alte Freunde.“
„Candy hat das alles falsch verstanden“, erklärte Gina hastig. „Wir müssen jetzt gehen. Wir sind schon spät dran.“
„Kommt nicht infrage.“ Entschieden versperrte er den Ausgang. „Nicht bevor das geklärt ist.“ Er deutete mit dem Zeigefinger auf Candy. „Ich weiß wirklich nicht, was Ihnen eigentlich einfällt.“
Sie registrierte Ginas bedrückte Miene und murmelte: „Tut mir leid. Ich wollte nicht … Aber du musst es ihm endlich sagen!“
„Bitte hör auf damit“, wisperte Gina.
„Habe ich irgendwas verpasst?“, frage Harry kühl. Als beide mit stoischer Miene schwiegen, fuhr er fort: „Auch wenn es dadurch noch später wird, unterhalten wir uns jetzt. Hier auf der Straße, im Auto oder sonst wo. Ich gehe nicht ohne eine Antwort.“ Er bedachte Candy mit einem finsteren Blick. „Und eine Entschuldigung.“
„Nur über meine Leiche!“
„Ein reizvoller Gedanke.“
„Hören Sie, Sie Knilch …“
„Es reicht!“, rief Gina nachdrücklich. „Harry, wir beide reden oben in der Wohnung. Candy, geh du nur. Sag den anderen, dass ich nicht komme.“
„Ich lasse dich nicht allein mit ihm.“
„Himmelherrgott!“, rief er erbost. „Was glauben
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