Julia Extra Band 0294
Motorrads verklang in der Ferne; Ruhe kehrte wieder ein.
„War es etwa besser, nur weil du ihn zu lieben glaubst?“ Mit angehaltenem Atem wartete er auf ihre Antwort.
„Ich glaube nicht, dass ich ihn liebe. Ich weiß es“, sagte sie sehr leise. „Das wird immer so bleiben. Sex mit einem anderen würde nicht mal an den flüchtigsten Kuss von ihm heranreichen, und ich will nicht, dass mich ein anderer Mann anfasst oder küsst. So bin ich nun mal.“
Das hast du davon! Du hast es darauf angelegt, und jetzt hast du deine Antwort. Innerlich fühlte er sich zerrissen, doch es gelang ihm, eine ausdruckslose Miene aufzusetzen. Er nickte knapp. „Dann tut es mir leid für dich, denn Männer wie er ändern sich nicht.“
„Das weiß ich.“ Ihr Lächeln wirkte unendlich traurig. „Leb wohl, Harry. Ich hoffe, du findest eines Tages, wonach du suchst.“
Das habe ich längst . „Leb wohl, Gina. Viel Glück.“
Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich ab und ging zur Haustür. Er blieb stehen und wartete, ob sie sich noch einmal umdrehte und winkte. Sie tat es nicht. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss, und alles war still.
Er blieb eine volle Minute reglos stehen, als wären seine Füße angewachsen. Doch das Problem lag ganz woanders: in seinem Herzen, in seinem Kopf. Er hatte das Gefühl, an seinen eigenen Gefühlen zu ersticken. Irgendwie musste er begreifen, dass es kein Wiedersehen gab, denn Gina war eine Frau, die meinte, was sie sagte. Doch er wusste beim besten Willen nicht, wie er den Rest seines Lebens ohne sie überstehen sollte.
11. KAPITEL
„Ich hasse es, mich dauernd zu wiederholen, aber es ist Freitagabend, und du bist in London. Geh doch endlich mal mit uns aus!“
Wortlos lächelte Gina ihre Mitbewohnerin an, die im Schneidersitz auf dem Bett saß.
Candy, eine attraktive Brünette, war groß und schlank. Auf den ersten Blick war nicht zu sehen, dass sie eine intelligente Karrierefrau war und eine verantwortungsvolle Position in einer Handelsbank bekleidete. Da sie sehr nett und mitfühlend war, hatte Gina sich ihr schon wenige Stunden nach ihrer Ankunft in London anvertraut und sich den ganzen Kummer von der Seele geredet.
Seitdem betrachtete Candy es als ihre Mission, Gina in die Partyszene einzuführen. Mit ernstem Blick aus großen braunen Augen sagte sie eindringlich: „Du bist jetzt schon seit über zwei Monaten in London, und es ist ein lauer Juniabend und viel zu schön, um drinnen zu hocken. Und sag mir nicht, dass du mal wieder einen endlosen Spaziergang machen willst, denn das ist nicht die Art von draußen, die ich meine.“
„Ach, du meinst wohl die Art von draußen in stickigen Bars, wie?“
„Eine Bar voll gut aussehender Männer, die sich nur danach verzehren, dass du endlich auftauchst.“
Gina lachte und murmelte sarkastisch: „Ja, ja, sicher.“
„Lass es doch einfach mal darauf ankommen. Kath, Linda und Nikki sind auch mit von der Partie, und dir tut es nicht gut, ständig drinnen zu hocken und Trübsal zu blasen.“
„Das tue ich ja gar nicht. Aber das Nachtleben ist einfach nichts für mich.“
„Woher willst du das wissen, wenn du es nicht ausprobierst?“
„Ich will momentan niemanden kennenlernen“, beharrte Gina.
„Dann komm einfach so mit, und hab Spaß mit uns. Wir gehen erst was essen und ziehen dann weiter in eine Disco. Du kennst meine Freunde und magst alle, und sie mögen dich. Geh ausnahmsweise einfach mal aus dir heraus. Ein bisschen tanzen und flirten tut dir gut.“
Gina seufzte. „Du gibst wohl nie auf, oder? Du willst mich unbedingt so verkatert erleben, wie du samstags morgens immer bist.“
„Ist das ein Ja? Großartig! Wir müssen sofort eine Styling-Show veranstalten. Das vermisse ich wahnsinnig, seit Jennie das Single-Dasein gegen ein langweiliges Eheleben getauscht hat.“ Candy war fest entschlossen, niemals vor den Altar zu treten, nachdem ihr Vater ihre Mutter mit zwei kleinen Kindern sitzen gelassen hatte.
Erst bei der Anprobe ihrer „Ausgeh-Kleider“ wurde Gina bewusst, wie viel Gewicht sie in den letzten Wochen verloren hatte. Natürlich war ihr nicht entgangen, dass ihre Bürokleidung lockerer saß als früher, doch das war sogar ganz angenehm. Die Pfunde waren nicht durch Diät, sondern quasi wie von selbst durch hektische, arbeitsreiche Tage und rastlose Abende und Nächte gepurzelt.
Um Harry zu gefallen, hatte sie sich immer gewünscht, schlanker zu sein, doch nun war sie sich nicht sicher, ob ihr die neue Figur
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