Julia Extra Band 0294
jeder andere. Und obwohl Audrey sicher war, Kate würde ihr Wissen nie gegen sie verwenden, fühlte sie wieder die alten Zweifel und kämpfte gegen das vertraute Schuldgefühl an.
„Okay, lassen wir’s für den Moment gut sein“, beruhigte Kate sie in ihrer flapsigen Art. „Aber du bist eine der schönsten Frauen des Universums … äußerlich und innerlich!“, betonte sie. „Deshalb …“
„Danke Katie“, unterbrach Audrey sie hastig. „ Bitte …!“
„Schon gut!“
Es war nicht schwer, sie aus der Menge herauszufiltern. Dafür hätte es nicht einmal des Fotos bedurft, das er in der Tasche trug. Audrey Murphy stach auch so aus der Masse der anderen Gäste heraus … eine atemberaubende Schönheit mit einer hellen, fast durchscheinenden Haut, die wie erlesenes Porzellan im Vergleich zur künstlichen Vollkommenheit des trickreich geschminkten Teints ihrer Gesprächspartnerin wirkte.
Unauffällig beobachtete Romain seine Jagdbeute . Er vernahm ihr Lachen, bevor er sie erspähte, und war erstaunt, ausgerechnet von ihr einen derart melodischen, anrührenden Laut zu hören. Noch jetzt lag ein strahlendes Lächeln auf ihrem schmalen Gesicht, während sie mit ihrer Bekannten plauderte.
Nur ungern gab er zu, dass sich diese beiden Models von ihren Kolleginnen unterschieden, die unter den aufmerksamen und teils begehrlichen Blicken der männlichen Gäste durch den Ballsaal flanierten. Sie wirkten wie … zwei Kinder, die sich in eine Ecke verdrückt hatten und einen geheimen Spaß miteinander teilten.
Bizarrerweise, da er sich derart menschlichen Schwächen nie hingeben würde, verspürte er plötzlich so etwas wie Neid und den Wunsch, in ihrem Bunde der Dritte zu sein …
Rasch lenkte Romain seine Aufmerksamkeit zurück aufs Wesentliche.
Nicht nur durch ihren makellosen Teint unterschied sich Audrey Murphy von den anderen Models. Mit ihrem nachtschwarzen welligen Haar, das ihr weit über die Schultern herabfiel, und dem trägerlosen Abendkleid mit der hoch angesetzten Taille, das ihre milchweißen, für ein Model ungewöhnlich üppigen Brüste perfekt zur Geltung brachte, war sie der verkörperte Traum eines jeden Mannes.
Die Grazie, mit der sie sich bewegte und posierte, verriet jahrelanges Training und wirkte dennoch so natürlich und anziehend, dass man den Blick nicht abzuwenden wagte, aus Angst, etwas Unwiederbringliches zu verlieren …
Die nagende Unzufriedenheit, die ihm bereits den ganzen Abend zu schaffen machte, vertiefte sich noch. Nicht gewohnt, sich von emotionalen Regungen irritieren zu lassen, verdrängte Romain sie energisch in den Hintergrund.
Trotzdem war sein Interesse an dem ungewöhnlichen Model stärker, als er es erwartet hatte. Vielleicht lag es ja auch daran, dass Audrey, anders als ihre Konkurrentinnen, absolut keine Anstrengung unternahm, seine Aufmerksamkeit zu wecken.
Romain hatte längst für sich entschieden, dass er sie für seine Kampagne nicht gebrauchen konnte. Dummerweise wäre sie perfekt in dieser Rolle, wenn … ja, wenn man von ihrer unrühmlichen Vergangenheit absehen könnte; aber das erschien ihm unmöglich, angesichts …
Plötzlich verspürte er einen überwältigenden Impuls, Audrey Murphy aus der Nähe zu betrachten. Ehe er noch einen Schritt in ihre Richtung tun konnte, wuchs sich dieser Impuls zu einem brennenden Begehren aus, das ihn schockierte und ihm förmlich den Atem nahm.
Unter Mauds forschend amüsiertem Blick gefror sein Gesicht zur harten Maske, doch Romain wusste instinktiv, dass er seiner Tante nichts vormachen konnte. Zum Glück war sie eine ebenso kluge, lebenserfahrene wie diskrete Person, die von ihm keine Erklärung erwartete. Spontan beugte er sich hinab und küsste sie auf beide Wangen.
„Wenn ich noch über die beneidenswerte Fähigkeit des Errötens verfügte, mein lieber Neffe, würde ich jetzt wie die sprichwörtliche Tomate leuchten“, erklärte sie trocken.
Romain schmunzelte. „Wie eine ganz bezaubernde Tomate …“
Spielerisch schlug sie mit dem Fächer, ihrem exzentrischen Markenzeichen, gegen seine Wange und lächelte geschmeichelt.
„Du hast mir noch gar nicht erzählt, wie dein wertes Befinden ist, ma chère tante .“
„Bestens, merci . Wir sind natürlich alle ungeheuer geschmeichelt ob deiner Anwesenheit. Ich bin so froh, wenigstens ein mal , wenn auch nur in beruflicher Hinsicht, dein Interesse geweckt zu haben, sonst würde ich meinen Lieblingsneffen wohl nie mehr zu Gesicht bekommen! Oder liegt es doch
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