Julia Extra Band 0294
ernsthaften Jungen von früher erinnerte. Schon damals hatte seine trotzige Aufrichtigkeit und Kompromisslosigkeit ihr Herz berührt.
Maud seufzte. „Und wenn sie trotz allem ihren Weg im Modelbusiness so erfolgreich weitergeführt hat, verdient sie zumindest eine faire Chance. Ganz ohne Blessuren ist sie nämlich auch nicht davongekommen. Deshalb wandelte Audrey auch ihren Nachnamen von Quinn in Murphy um, weshalb du sie auch nicht gleich erkannt hast, als deine PA dir meine Empfehlung vorgelegt hat.“
Wieder überfiel ihn dieses seltsame Prickeln. Nein, er hatte sie nicht erkannt, aber irgendetwas an ihr hatte ihn seltsam berührt. Der Faszination ihres klaren Gesichtes und der sprechenden tiefblauen Augen konnte er sich einfach nicht entziehen.
„… das liegt alles hinter ihr“, drang Mauds Stimme wieder in sein Bewusstsein. „Ich habe immerhin auch einen Ruf zu verlieren, also kannst du mir wohl vertrauen. Hätte ich auch nur den geringsten Zweifel an ihr, würde sie nicht bei mir unter Vertrag stehen.“
Romain verbiss sich ein zynisches Grinsen. Nach seiner Erfahrung wechselte ein Leopard nicht so leicht seine Flecken. Und er war sich sogar ziemlich sicher, sollten die zweifelhaften Neigungen einiger Beauties aus Mauds Katalog bekannt werden, würden sie noch in der gleichen Sekunde von seiner Tante gefeuert. Doch eines der hervorragenden Talente von Frauen wie Audrey Murphy war es, ihre schmutzigen kleinen Geheimnisse auch als solche zu wahren. Da machte er sich keinerlei Illusionen …
Und eines stand für Romain de Valois ohnehin felsenfest: Niemals und unter keinen Umständen würde er ein Model beschäftigen, das mit Drogen zu tun hatte – weder beruflich noch privat. Allein der Gedanke daran rief düstere und quälende Erinnerungen in ihm wach, die ihm einen bitteren Geschmack im Mund verursachten.
„Ich kenne dich sehr gut, Romain“, fuhr seine Tante gelassen und zuversichtlich fort. „Wenn du tatsächlich ernsthafte Zweifel an Audrey Murphys Reputation hättest, wärst du heute nicht hier. Und versuche jetzt nicht, dich mit unstillbarer Sehnsucht nach deiner alten Tante herauszureden“, versuchte sie es – vergeblich – mit einem Scherz. „Die Verantwortlichen für die geplante Kampagne scheinen jedenfalls keine Probleme mit ihrer Vergangenheit zu haben.“
Damit hatte Maud zumindest ins Schwarze getroffen. Und wie!
Denn im Grunde genommen waren es besonders Audreys belastete Vergangenheit und die spektakuläre Auferstehung des Phönix aus der Asche , die sie in den Augen seiner Crew so perfekt erscheinen ließen. Auch wenn er davon keineswegs überzeugt war!
Dennoch … als er ihre Mappe vor sich liegen hatte, war ihm auf den meisten Bildern ein gewisser Ausdruck in ihrem eindeutig bezaubernden Gesicht aufgefallen, den er nicht gleich hatte deuten können. Wie hätte man ihn bezeichnen können?
Als verletzlich … unschuldig … rein?
Nein, das war dann doch wohl viel zu hoch gegriffen, angesichts ihres zweifelhaften Lebensstils! Trotzdem – selbst wenn man ihr nur das unbezahlbare Talent zuschreiben musste, genau diese engelhaften Attribute vor der Kamera zu vermitteln … konnte er es sich tatsächlich leisten, auf so eine Meisterin ihres Faches zu verzichten?
Exakt in diesem Moment wandte Audrey Murphy den Kopf. Quer durch den Raum begegneten sich ihre Blicke, und die Welt schien plötzlich stillzustehen …
Audrey hatte das Gefühl, einen Schlag in den Magen bekommen zu haben. Und der einzige Gedanke, der ihr durch den Kopf schoss, war: Wie habe ich ihn bis jetzt übersehen kön nen?
Irgendetwas an dem attraktiven Fremden, der direkt neben Maude stand, schien ihr vertraut, aber sie konnte es nicht sofort einordnen, denn seine stahlgrauen Augen hielten sie gefangen, und die Intensität seines Blickes machte sie ganz schwindelig.
Auf jeden Fall schien dieser aufregende Adonis ihr nicht besonders zugetan zu sein, stellte sie mit vagem Erstaunen fest. Aber warum? Er kannte sie doch gar nicht!
Audrey schauderte leicht, brachte es aber immer noch nicht fertig, sich aus dem seltsamen Bann zu lösen. Sie fühlte sich wie eine hilflose Beute in den Fängen eines gefährlichen Raubtiers.
Jetzt geht aber deine Fantasie mit dir durch!, rief sie sich selbst zur Ordnung.
Mit einiger Anstrengung ließ sie ihren Blick von den harten, klassischen Gesichtszügen zu den kräftigen Schultern wandern, die der exzellent geschnittene Abendanzug nicht zu verbergen vermochte. Der fremde
Weitere Kostenlose Bücher