Julia Extra Band 0299
Julienne so hart bestraft worden? Sie wollte sich doch nur verlieben!
Als sie ihrer Schwester schließlich auf die Schliche gekommen war, hatte sie verzweifelt versucht, sie zur Vernunft zu bringen.
„Wenn der Onkel dich erwischt, Julienne …“
„Was dann? Vermutlich verbietet er mir, die Zeichentrickfilme am Sonntag zu sehen. In seinen Augen bin ich doch immer noch ein Kind.“
Sie hatte recht. Ihr Onkel war ziemlich realitätsfremd. Und er wurde wunderlich. Der Tod des alten Fürsten hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen. Lange Zeit litt er unter Depressionen. Als er sich schließlich wieder gefangen hatte, stürzte er sich in alle möglichen Aktivitäten, die ihn bei den restlichen Mitgliedern der Fürstenfamilie in Ungnade fallen ließen. Die jungen Prinzen verachtete er sowieso. Er hielt sie für Faulpelze und Drückeberger.
Abby ließ ihren Blick über Mychales sonnengebräunten Körper gleiten. Gregor nahm gerade eine Blutdruckmessung vor und führte verschiedene Tests durch. Dieser Mann war ganz sicher kein Faulpelz oder Drückeberger! Er hatte Seele und Charakter, das spürte sie einfach.
Sie rief sich sofort zur Ordnung. Es war ja okay, den Prinzen zu bewundern und ihn zu mögen. Aber verlieben durfte sie sich nicht in ihn. Das konnte nur in einer Tragödie enden.
„Es scheint Ihnen schon besser zu gehen“, sagte Gregor nach Abschluss der Untersuchung und begann, seine Sachen zusammenzupacken. „Allerdings stört es mich, dass Sie noch immer so plötzlich das Bewusstsein verlieren.“ Er wandte sich an Abby. „Du musst ihn heute Nacht rund um die Uhr beobachten. Wenn er länger als eine Stunde bewusstlos ist, benachrichtigst du mich sofort, einverstanden?“
Abby sah ihn fragend an. Dann bemerkte sie, dass auch der Prinz etwas verunsichert war.
„Du willst, dass ich regelmäßig nach ihm sehe?“
„Nein, Abby. Ich möchte, dass du ihn keine Minute aus den Augen lässt. Am besten bleibst du heute Nacht bei ihm.“
Fassungslos blickte sie Mychale an. Dem schien die Vorstellung zu gefallen, so zufrieden, wie er lächelte. Sein Versuch, es zu verbergen, scheiterte auf der ganzen Linie. Schließlich riss er sich zusammen und räusperte sich.
„Wollen Sie damit sagen, dass ich in Gefahr schwebe, falls Abby nicht rund um die Uhr überprüft, ob ich ins Koma falle? Habe ich Sie richtig verstanden, Gregor?“
„So ungefähr.“ Gregor schien von der prickelnden Spannung, die in der Luft lag, nichts zu bemerken. „Wenn diese Ausfälle immer wiederkehren, müssen wir etwas unternehmen. Dazu ist es wichtig zu wissen, wann, wie lange und wie oft sie auftreten. Deshalb sollte Abby hier im Zimmer bleiben. Sie kann es sich ja auf der Chaiselongue gemütlich machen. Auf alle Fälle muss Sie auf Ihre Atmung achten. Es ist wichtig, dass sie sofort merkt, wenn Unregelmäßigkeiten auftreten. Die Atmung ist das Wichtigste.“
„Meine Atmung, aha.“ Mychale nickte betont ernst, während er Abby anschaute. „Ja, die muss unbedingt überwacht werden.“
Abby war sprachlos. Sie blickte von einem Mann zum anderen.
„Tut mir leid, Abby“, sagte Gregor entschuldigend. „Du wirst heute Nacht wenig Schlaf bekommen. Aber ich würde mich wirklich besser fühlen, wenn jemand auf ihn aufpasst.“
„Kein Problem.“ Sie hatte sich vom ersten Schock erholt. „Ich wäre dir nur sehr dankbar, wenn du mir genau erklären könntest, worauf ich achten soll.“
„Komm mit“, sagte er und wandte sich zum Gehen. „Ich schreibe dir alles genau auf.“
„In Ordnung.“
An der Tür wandte sie sich noch einmal um. Mychale lächelte noch immer und zwinkerte ihr aufreizend zu.
Dafür kassierte er einen zornigen Blick, dann folgte Abby ihrem alten Freund ins Wohnzimmer.
Noch immer konnte sie nicht fassen, dass sie gerade den offiziellen Auftrag erhalten hatte, mit dem Prinzen die Nacht zu verbringen. Ausgerechnet von dem Mann, der sie davor gewarnt hatte, mit einem Adeligen anzubandeln. Das war doch verrückt!
Als Abby wenig später mit Bettzeug und zwei Taschenlampen bewaffnet zurückkehrte, fragte sie sich, was sie wohl im Schlafzimmer des Prinzen erwartete. Gregor war inzwischen zurück ins Dorf gefahren.
Der Prinz blickte missmutig drein. Das erregende Knistern schien verflogen. Seltsam, dachte Abby, ließ sich jedoch nichts anmerken.
Sie zog die Vorhänge zu und schaltete eine batteriebetriebene Lampe an. Dann betrachtete sie Mychale forschend. Er lehnte sich an das Kopfteil des riesigen Doppelbetts
Weitere Kostenlose Bücher