Julia Extra Band 0299
Weile wandte er sich zu ihr um. „Rosanne, wegen gestern Nacht … Es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass es passiert. Als ich dir angeboten habe, bei mir zu schlafen, meinte ich nur das. Schlafen.“
Das Laken gegen ihre Brust gepresst, richtete Rosanne sich auf. Ein greller, stechender Schmerz löschte die Erinnerung an die Nacht aus. „Oh, nein“, erwiderte sie hastig, um ihn daran zu hindern, noch mehr schreckliche Dinge zu sagen. „Das muss dir nicht leidtun. Auch ich habe nicht damit gerechnet. Die extreme Situation war schuld, die Umstände, da ist es einfach geschehen.“
Ihre Wangen brannten vor Scham. Verzweifelt schaute sie zu ihrem Morgenmantel hinüber, der über einem Stuhl lag. Isandro folgte ihrem Blick und reichte ihr das Kleidungsstück. Ohne auch nur einen Zentimeter Haut zu zeigen, schlüpfte sie hinein und stand auf.
Sie musste hier weg. Sie hatte alles falsch verstanden. Gestern Nacht hatte er sie nur trösten wollen, mehr nicht. Und sie hatte beinahe geglaubt …
Seine Miene war hart wie Granit. Ein Messer schien sich in ihr Herz zu bohren. So sehr bedauerte er es also?
„Die Polizei wird in zwei Stunden hier sein, um dich zu der Entführung zu befragen. Glaubst du, du bist schon in der Verfassung dazu?“
Rosanne nickte. Wieso klang er nur so aufrichtig besorgt? „Ja, das schaffe ich schon.“
Während die Polizisten ihr Fragen zu allen Einzelheiten der Entführung stellten, wich Isandro nicht von ihrer Seite. Erst danach schloss er sich in sein Arbeitszimmer ein. Rosanne spielte mit Zac, bis es Zeit für seinen Mittagsschlaf wurde, und ging dann in den Innenhof unterhalb ihres Zimmers hinaus. Dort setzte sie sich in den Schatten eines Baumes, um ein bisschen zu lesen.
Bald jedoch gab sie den nutzlosen Versuch wieder auf. Die Ereignisse der letzten Nacht drängten wieder in ihr Bewusstsein. Was sollte sie nur tun?
Sie musste unbedingt den Makler anrufen und fragen, ob er eine passende Wohnung für sie in Osuna gefunden hatte. Denn eines war ihr völlig klar: Sie musste so schnell wie möglich aus Isandros Haus ausziehen. Seine Gegenwart tat ihrem seelischen Gleichgewicht nicht gut.
Außerdem würde die Scheidung in Kürze rechtskräftig werden. Isandro würde sein eigenes Leben führen wollen, vielleicht sogar wieder heiraten. Je früher sie einen Schlussstrich zog, desto besser.
In diesem Moment hörte sie das Telefon in ihrem Zimmer klingeln. Schon während sie die Treppen hinaufeilte, wusste sie, was das für ein Anruf war. Ihr Herz begann wie wild zu pochen.
Wie erwartet, war der Anruf die Bestätigung ihres Termins. Nachdem sie aufgelegt hatte, schlang Rosanne die Arme um ihren Körper. Plötzlich war ihr eiskalt. Sie wünschte, es gäbe jemanden, dem sie ihre Sorgen anvertrauen könnte. Einen flüchtigen Augenblick fragte sie sich, wie es wohl sein würde, geliebt zu werden – von jemandem wie Isandro … wie es wäre, von ihm beschützt zu werden.
Überraschend klopfte es an der Tür. Rosanne öffnete und sah sich Isandro gegenüber, ihrem Noch-Ehemann, Objekt all ihrer Träume und Fantasien. Er wirkte ernst. Das war es also. Sicher wollte er mit ihr über das Sorgerecht und die Besuchszeiten reden.
„Könntest du mit in mein Arbeitszimmer kommen? Es gibt da etwas, das ich gerne mit dir besprechen möchte.“
„Natürlich“, entgegnete sie in geschäftigem Ton und ignorierte das flaue Gefühl im Magen.
Im Arbeitszimmer angekommen, bat Isandro darum, dass sie sich setzte. Doch sie lehnte ab. „Danke, ich bleibe lieber stehen.“
Er griff nach einer dünnen Mappe, die auf dem Schreibtisch lag. „Weißt du, was das ist? Das sind die Ergebnisse der Ermittlungen, die ich in Auftrag gegeben habe, um deinen Aufenthaltsort der letzten zwei Jahre herauszufinden.“
Er weiß es? Der Gedanke löste Panik in ihr aus. Damit hatte sie nicht gerechnet. „Du hast nach mir suchen lassen?“
„Ein bisschen spät, das gebe ich zu. Gewisse Umstände haben mich leider zu lange davon abgehalten. Zum einen bin ich von heute auf morgen alleinerziehender Vater geworden, zum anderen gab es diesen Börsencrash, von dem du anscheinend nichts mitbekommen hast.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir folgen kann“, spielte sie auf Zeit.
„Möchtest du wissen, was meine Nachforschungen ergeben haben?“
Rosanne zwang sich zu einem Schulterzucken und schüttelte gleichzeitig den Kopf. Nein, sie wollte die Stationen ihres Lebens nicht in einer Akte lesen.
„Hier … schau es
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