Julia Extra Band 0301
Das Treffen verlief dann allerdings nicht so vielversprechend wie erhofft.
Tyler versuchte, sich an alles zu erinnern, was Mary ihm gesagt hatte – mit dem Erfolg, dass er mehr an sie dachte als an Fiona.
Wenn er es zum Beispiel mit Blickkontakt versuchte, sah er zwar in Fionas herrlich blaue Augen, hörte aber zugleich Marys Stimme Anweisungen geben – und erinnerte sich daran, wie in ihren Augen ein Lachen getanzt hatte …
Nicht aufgeben, sagte er sich dann und versuchte es weiter. Es war jedoch eine Erleichterung, Fiona schließlich Gute Nacht zu sagen und seines Weges zu gehen. Allerdings nicht, ohne sie für das folgenden Wochenende wieder zum Essen eingeladen zu haben.
Dass es ihm einen perfekten Vorwand lieferte, sich bei Mary zu melden, gestand er sich nicht ein. Es war nur natürlich, sich mit ihr in Verbindung zu setzen, da er sie ja für ihre Beratung bezahlte.
Tyler wartete bis Mittwoch. Alles andere hätte so ausgesehen, als könnte er es nicht erwarten, sie wiederzusehen. Mittags ging er dann zu Fuß zu ihrem Büro, ohne sich angekündigt zu haben. Es sollte nicht zu offiziell wirken, denn er wollte sie ja nur sehen … um weitere Strategien zu besprechen, fügte er im Stillen rasch hinzu.
Ungewohnt nervös ging er die vielen Stufen zu ihrer Mansarde hinauf und klopfte.
„Herein.“
Als er die Tür öffnete, blickte Mary lächelnd vom Schreibtisch hoch, aber ihre Miene wurde starr, als sie merkte, wer sie besuchte.
Einen Moment lang sahen sie einander schweigend an, dann stand Mary auf und ging zu Tyler. „Hallo“, begrüßte sie ihn leise.
Sie hatte davon geträumt, aber nicht zu hoffen gewagt, dass er zu ihr kommen würde. Ihn zu verlassen war natürlich das einzig Vernünftige gewesen, doch sie hatte sich nicht vorgestellt, wie schmerzlich sie ihn vermissen würde. Oft genug hatte sie ihn anrufen wollen, nur um seine Stimme zu hören, sich dann aber gezwungen, es nicht zu tun.
Nun stand er plötzlich hier in ihrem Büro, und sie hatte beinah Angst, er könnte sich als Trugbild erweisen, das sie mit ihrer Sehnsucht ins Leben gerufen hatte – und das sich verflüchtigen würde, wenn sie ihm zu nahe kam …
„Bist du zurzeit sehr beschäftigt?“, erkundigte Tyler sich hölzern.
„Um zwei Uhr habe ich einen Termin, aber jetzt kann ich dir einige Minute widmen.“ Sie wies auf die Besuchersessel und setzte sich.
Tyler nahm ihr gegenüber Platz. Zuerst herrschte verlegenes Schweigen, dann sagte er: „Du siehst gut aus, Mary.“
Der neue Haarschnitt stand ihr wirklich ausgezeichnet, und sie trug einen langen, schwingenden Rock zu einem weichen Rollkragenpullover. Irgendwie sah sie zugleich geschäftsmäßig und zugänglich aus.
„Danke!“ Sie lächelte flüchtig. „Und wie geht es dir?“
„Ach, ganz okay.“ Aber nur, wenn er nicht daran dachte, wie sehr er sie vermisste! „Wo ist denn Bea?“
„Bei meiner Mutter, weil ich heute mehrere Vorstellungsgespräche arrangiert habe.“
Er hätte am liebsten gefragt, ob Bea ihn vermisse – und ob Mary ihn vermisse –, aber er wusste nicht, wie er das anstellen sollte, ohne jämmerlich zu wirken.
„Was kann ich denn für dich tun?“, wollte Mary nach einer weiteren Gesprächspause wissen.
Zeit fürs Geschäft, dachte er ironisch. „Am Samstag gehe ich mit Fiona essen“, begann er. „Hättest du Zeit, mich ein bisschen … vorzubereiten?“
„Jetzt sofort?“
„Oder bei einem Glas Wein heute Abend?“, schlug er befangen vor.
Seltsam, bisher war er im Umgang mit ihr doch nie verlegen gewesen, und nun kam ihm jedes Wort irgendwie falsch vor.
„Heute Abend kann ich nicht.“ Sie biss sich auf die Lippe. „Alan kommt von London her, um mich zu treffen.“
„Alan? Beas Vater?“, hakte Tyler nach, und ihm wurde das Herz schwer.
„Ja.“ Mary schluckte trocken. „Er hat vorgestern angerufen und mir gesagt, er hätte über Bea und mich nachgedacht. Er möchte, dass wir es noch mal miteinander versuchen.“
Es war noch nicht lange her, da hätte sie alles darum gegeben, um Alan das sagen zu hören. Ironischerweise fiel es ihm erst jetzt ein, als ihr klar geworden war, wie sehr sie einen anderen Mann liebte.
Tyler hatte das unangenehme Gefühl, statt des Herzens ein Bleigewicht in der Brust zu haben. Er erinnerte sich sehr deutlich an Marys Ausdruck, als sie ihm von ihrer großen Liebe vorgeschwärmt hatte.
„Was wirst du ihm sagen?“, fragte er unüberlegt.
„Das weiß ich noch nicht“, antwortete Mary
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