Julia Extra Band 0301
Handy aus den gefühllosen Fingern. „Bringen wir die Koffer in den Wagen.“
„Alles wird gut.“ Zum wiederholten Male versuchte Peter, zu Ally durchzudringen und die Wand niederzureißen, die sie um sich errichtet hatte.
Doch sie antwortete nicht, saß nur schweigend und wie versteinert neben ihm im Wagen.
Hin und wieder hörte er sie trocken schlucken oder leise aufschluchzen.
„Vielleicht isst er schon gemütlich zu Abend, wenn du eintriffst“, fuhr er fort und streichelte ihr Knie in dem verzweifelten Versuch, ihr Trost zu spenden.
„Nein“, erwiderte sie tonlos.
„Ally, hör mir zu. Du hast mir doch immer erzählt, was für ein zäher alter Hund er ist. Wie kannst du auch nur annehmen, dass er kampflos aufgibt?“
„Ich weiß es nicht. Er hat ja gekämpft …“
„Ich dachte, er möchte ein Enkelkind“, sagte er. „Meinst du nicht, dafür hält er noch eine Weile durch?“
Jetzt rannen ihr Tränen über die Wangen, und sie gab gar keine Antwort mehr.
Er wusste, dass sie um ihren Vater weinte, vermutete jedoch, dass im Hintergrund noch ganz andere Gefühle lauerten. „Ally“, sagte er etwas unbeholfen. „Eines musst du begreifen. Es ist nicht deine Schuld.“
Aber auch darauf erhielt er keine Antwort.
Den Rest der Fahrt saß sie mit zusammengepressten Lippen da und starrte leeren Blickes aus dem Fenster.
Endlich erreichten sie den Flughafen. Peter folgte den Schildern, die den Dauerparkplatz auswiesen.
„Wohin fährst du denn?“, fuhr Ally auf. „Alles würde viel schneller gehen, wenn du mich gleich vorne, am Haupteingang absetzt.“
„Aber dann muss ich dich suchen“, gab er zu Bedenken, brachte den Wagen in einer Parklücke zum Stehen und schaltete den Motor aus. „Wir haben genug Zeit. Und das Flugzeug startet bestimmt nicht früher.“ Er stieg aus, umrundete das Fahrzeug und hielt die Tür für sie auf.
Auch Ally stieg aus und beobachtete, wie er ihre Sachen aus dem Kofferraum holte. Verwundert starrte sie auf den zweiten Koffer. „Was ist das denn?“
„Mein Gepäck. Ich komme mit.“
Ungläubig schüttelte sie den Kopf. „Nein! Das kannst du nicht. Ich meine, das brauchst du nicht.“
„Ich will und ich werde.“
„Aber … Weißt du, wie weit entfernt Hawaii von New York liegt?“
„Elf Stunden“, entgegnete er und hob die Koffer an. „Kein Problem.“
„Peter, wirklich, das ist überhaupt nicht nötig.“
Er sah das ein bisschen anders. Allerdings würde er sich gar nicht erst auf eine Diskussion einlassen. Also zuckte er bloß die Schultern. „Doch, ist es. Und ich besitze ein Ticket. Ich komme mit.“
Ohne Peter hätte sie es nicht geschafft. Er kümmerte sich um alles, sorgte sich um sie und war ununterbrochen für sie da.
Er hatte ihre Koffer gepackt, die Tickets gekauft, sie zum Flughafen gefahren. Während des Fluges hatte er sie an seiner Schulter schlafen lassen, den Mietwagen besorgt und sie während der Fahrt zum Krankenhaus immer wieder gedrängt, Jon anzurufen.
Dafür war sie ihm unendlich dankbar. Sie liebte ihn dafür.
Nicht nur dafür, sie liebte ihn. Punkt.
Langsam bog Peter nun auf den Parkplatz des Krankenhauses ein.
„Nein“, sagte Ally rasch. „Lass mich am Haupteingang aussteigen. Das geht schneller.“
Er nickte. „Okay. Wir treffen uns drinnen. Warte auf mich und …“
„Nein“, fiel sie ihm ins Wort. „Ich muss das alleine machen.“
„Kommt nicht infrage! Ich habe dich schon letztes Mal alleine gehen lassen.“
Letztes Mal? „Du meinst …?“
„Nach unserer Hochzeit bist du deinem Vater alleine gegenübergetreten. Ein zweites Mal lasse ich das nicht zu.“
„Ich muss. Du kannst nicht mitkommen.“
Peter trat die Bremse des Wagens durch und starrte Ally an. „Warum nicht?“
Sie wich seinem Blick aus, weil sie den Schmerz in seinen Augen nicht ertragen konnte.
„Es ist nicht so, dass ich dich nicht dabei haben möchte“, versuchte sie zu erklären. „Es ist nur … Mein Dad weiß nichts von dir. Er glaubt, Jon und …“ Sie brachte den Satz nicht zu Ende, doch das brauchte sie auch gar nicht.
Betroffen presste er die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. „Du denkst, es ihm zu sagen, würde ihn umbringen.“
„Ich weiß es nicht. Aber das Risiko kann ich unmöglich eingehen. Wenn es ihm wieder besser geht, wird er dich bestimmt kennenlernen wollen …“
Beide wussten, dass das nicht stimmte. Peter war der letzte Mensch auf dieser Welt, den Allys Vater gerne treffen wollte.
Weitere Kostenlose Bücher