Julia Extra Band 0303
einem abwärts rollenden Schneeball hinterherzulaufen, der alles mitriss und sich dabei langsam zu einer Lawine auswuchs.
Sie wusste, dass sie diese Lawine mit einem Wort stoppen konnte, doch die Alternative beinhaltete auch eine Reihe von Nachteilen. Zum Beispiel, dass sie ihre Nächte in Zukunft wieder allein würde verbringen müssen …
Die letzten hatten sie zusammen in Cesares luxuriösem Londoner Stadthaus verbracht, bis auf die zwei, in denen Cesare aus geschäftlichen Gründen in Rom weilte. Und die vorausgegangene, in der Sam noch ein letztes Mal allein in ihrem Apartment hatte schlafen wollen.
Während der nächtlichen Stunden voller Leidenschaft fühlte sie keine Unsicherheit, doch im hellen Tageslicht zweifelte sie ernsthaft an ihrem Verstand. Vielleicht waren Cesare inzwischen auch Bedenken wegen seiner überstürzten Entscheidung gekommen? Denn warum sonst sollte er die Frau, die er in wenigen Stunden heiraten wollte, am Morgen ihrer Hochzeit um fünf Uhr dreißig anrufen?
Als er das Gespräch nach zehn Minuten beendete, war Sam kein bisschen schlauer. Allerdings verspürte sie plötzlich ein nagendes Gefühl, dass Cesare ihr etwas Wichtiges hatte anvertrauen wollen, sich dann aber kurzfristig dagegen entschied. Vielleicht, dass er die Hochzeit am liebsten abgesagt hätte?
Sam griff nach dem Hörer und versuchte mehrfach zurückzurufen, aber ohne Erfolg. Während sie in der Luxuslimousine saß, die sie zum Standesamt bringen sollte, zermarterte sie sich immer noch das Hirn.
„Es ist noch nicht zu spät …“, murmelte sie lautlos vor sich hin und knetete nervös ihre eiskalten Hände im Schoß. Doch tief in ihrem Innern wusste sie, dass ihr keine andere Wahl blieb, als den Dingen ihren Lauf zu lassen. Sie musste an das Wohl ihres Babys denken.
Darauf zu hoffen, dass ein Wunder geschah und Cesare sie irgendwann lieben würde, wagte sie nicht. Sie war sich ja nicht einmal sicher, wann ihr bewusst wurde, dass sie diesen arroganten, herrschsüchtigen Italiener liebte! Vielleicht seit dem Moment, als er ihr den riesigen Saphir an den Finger steckte und sich rasch abwenden musste, um seine offensichtliche Rührung zu verbergen?
Oder nachdem sie den Schnappschuss von ihm gesehen hatte, wie er mit den Fingerspitzen an einem nahezu horizontalen Felsen über einem Abgrund hing und dabei noch in die Kamera lachte? In dem Moment war ihr bewusst geworden, dass dieser waghalsige Akt nur eines von etlichen Abenteuern war, die dieser vitale Mann nie mehr würde erleben können. Und dass er trotzdem jeden neuen Tag voller Energie und ohne Selbstmitleid in Angriff nahm …
Es hatte keinen Zweck, die Augen noch länger vor der Tatsache zu verschließen. Cesare Brunelli – dieser sture, tapfere Dickschädel, der sie manchmal fast in den Wahnsinn trieb, war die Liebe ihres Lebens …
Und der heutige Tag hätte der glücklichste ihres Lebens sein sollen. Doch als der Wagen vor dem Standesamt hielt, fühlte Sam nur Trauer und Beklommenheit. Und das hatte nichts damit zu tun, dass kein einziger Hochzeitsgast zugegen war, denn darauf hatte sie selbst bestanden.
Cesare liebte sie nicht. Er würde den Eheschwur halten – solange ihre Verbindung eben dauerte – daran hatte Sam nicht den leisesten Zweifel. Und auch darüber hinaus würde er gut für sie und ihr gemeinsames Kind sorgen. Aber den Platz in seinem Herzen, nach dem sie sich so verzweifelt sehnte, würde er ihr nie einräumen.
Ob er vielleicht immer noch in seine hinreißende Exverlobte verliebt war und sich das aus Pflichtgefühl ihr gegenüber nur nicht eingestehen wollte? Der Gedanke verursachte Sam Übelkeit, und die aufflammende Eifersucht frustrierte sie zutiefst.
In den letzten Tagen hatte Cesare sie mehrfach gefragt, ob etwas nicht in Ordnung sei, doch sie schaffte es immer wieder, ihn zu beruhigen. Trotz aller Widrigkeiten wollte sie den Tag ihrer Hochzeit in möglichst guter Erinnerung behalten, und deshalb setzte Sam auch entschlossen ein strahlendes Lächeln auf, als sie aus der Limousine stieg und den übernervös wirkenden Timothy auf sich zukommen sah.
Kurz vor ihr blieb Cesares Assistent abrupt stehen. Fast schockiert starrte er Sam an, die verlegen ihr Brautkleid zurechtzupfte.
„Sie sind wunderschön“, sagte er ehrfürchtig. „Um nicht zu sagen hinreißend …“
„Nicht ein wenig overdressed ?“, fragte sie errötend und strich fast zärtlich über den elfenbeinfarbenen Satin.
Eigentlich hatte Sam vorgehabt, den weißen
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