Julia Extra Band 0303
Kündigung befand, und er hatte ihre Schwäche und Unsicherheit erbarmungslos ausgenutzt. Was sie wollte, hatte ihn bisher wenig interessiert. Er war allein auf sein zukünftiges Kind und seine ureigensten Bedürfnisse fokussiert gewesen.
So zögernd sich Cesare es auch eingestand … er brauchte Samantha. Ja, er begehrte sie mit aller Macht und dachte Tag und Nacht an sie und ihren wundervollen Körper, aber das war es nicht allein.
Er brauchte sie einfach!
Gut, genau genommen war er ein selbstsüchtiger Schuft. Doch dieses Eingeständnis verführte ihn nicht dazu, ihr eine Wahl zu lassen. Wenn sie erst seine Frau war, würde er der nachgiebigste und verständnisvollste Ehemann sein. Samantha wird es nie bereuen, mich geheiratet zu haben, schwor er sich innerlich.
Die Tür hinter ihm öffnete sich nahezu lautlos. Doch weder setzte Orgelmusik ein, noch gab es einen Hochzeitsmarsch vom Band, und schon gar keine Gäste, die sich zur Braut umdrehten und zarte Taschentücher hervorholten, um Tränen der Rührung abzutupfen.
Cesare brauchte seine ganze Willensanstrengung, um nicht selbst den Kopf zu wenden, als sich von hinten das Geräusch zaghafter Schritte auf dem knarrenden Dielenboden näherte.
Sam absolvierte ihren Sprechpart in der Scharade eher zurückhaltend, mit ruhiger, ernster Stimme, was den Standesbeamten sichtbar irritierte. Im Kontrast dazu gab Cesare seine Antworten in einem klaren, entschlossenen Ton ab.
Die ganze Zeremonie über hielt die Braut den Blick fest auf den Beamten gerichtet, während ihr zukünftiger Ehemann den strahlenden Bräutigam gab, der nur zu bereit war, die Braut nach dem Ringwechsel zu küssen. Wie sehr ihre Finger zitterten, als sie den Schleier hob, bekam zum Glück niemand mit.
Außer Cesare …
Und genau in diesem Moment war er absolut im Reinen mit sich und seiner Entscheidung, heute morgen den Rat der Ärzte, sich sofort stationär im Krankenhaus aufnehmen zu lassen, ausgeschlagen zu haben.
Wer würde schon freiwillig in einem Krankenhausbett liegen und gegen die sterile weiße Wand schauen wollen, anstatt in das zauberhafte Antlitz seiner zukünftigen Frau? Samantha war wunderschön …
Unter gesenkten Wimpern hervor saugte er gierig jedes winzige Detail ihres herzförmigen Gesichts in sich auf, um es in seinem Gedächtnis zu speichern. Die Konturen war er immer wieder mit seinen Fingerspitzen nachgefahren und wusste genau, wie samtig sich ihre Haut anfühlte. Auch das Grübchen im Kinn, das Entschlossenheit und innere Stärke suggerierte, kannte er ebenso, wie die winzige steile Falte auf der Stirn zwischen den Augen. Und den weichen, großzügigen Mund, zum Küssen wie geschaffen.
Was er bisher nicht gewusst hatte, war, dass ihre Lippen in einem zarten Rosa schimmerten. Ein natürlicher Ton, den sie nur mit farblosem Lipgloss leicht akzentuiert hatte. Und dann die fast durchscheinende elfenbeinfarbene Haut, mit reizenden Sommersprossen auf der schmalen Nase, und die wundervollen tizianroten Locken, die sie wie ein Botticelli-Engel aussehen ließen.
Doch am wenigsten hatte er sich die Farbe ihrer Augen vorstellen können, trotz Tims poetischer Beschreibung. Und als Cesare jetzt einen unauffälligen Blick riskierte, drohte er in der Tiefe der violetten Seen zu ertrinken …
Cesare spürte, wie seine Brust ganz eng wurde unter der Flut von Emotionen, die ihn plötzlich überschwemmten. Wenn er sich jetzt dem Gedanken stellte, morgen vielleicht erneut blind zu sein, würde er dieses Bild mit in seine Dunkelheit nehmen.
In den letzten Nächten, wenn er nach ihrem leidenschaftlichen Liebesspiel mit Samantha in seinen Armen eingeschlafen war, hatte er immer wieder davon geträumt, morgens aufzuwachen und ihr Gesicht zu sehen. Doch niemals hätte er vermutet, dass es einmal Realität sein könnte. Und heute, als es tatsächlich geschah, lag er allein im Bett.
Sein erster Instinkt befahl ihm, sie anzurufen und ihr von dem Wunder zu erzählen. Denn als solches erschien ihm die Wiedererlangung seiner Sehfähigkeit. Doch dann hörte er ihre weiche, verschlafene Stimme und sein Herz zog sich vor Angst zusammen. Was, wenn es nur ein vorübergehendes Phänomen war? Dann würde die Enttäuschung umso größer sein, sollte die Welt um ihn herum wieder im undurchdringlichen Dunkel versinken.
Deshalb hatte er geschwiegen und war, gegen den Rat seiner Ärzte, zu der Trauung erschienen, um seiner Braut zum ersten Mal tief in die Augen schauen zu können … wenn auch nur
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