Julia Extra Band 0305
ihn nach ihrem ersten Zusammentreffen genannt. Und obwohl sie seitdem gelegentlich seinen boshaften Humor bemerkt hatte, fand sie noch immer, dass ihr erster Eindruck richtig gewesen war.
„Ist ihm etwas zugestoßen?“
Ein Muskel zuckte in seinem Gesicht.
Nervös auflachend schüttelte Clare den Kopf. Unmöglich. Es konnte nicht sein, dass Jamie ihr das angetan hatte. Nicht jetzt.
„Es tut mir leid, Clare.“
Ihr wurde ein bisschen schwindlig. „Wo ist er?“
„Er ist weg.“
So etwas passierte im wirklichen Leben nicht! Warum jetzt? Warum nicht gestern oder vorgestern oder vorvorgestern? Als noch Zeit genug gewesen wäre, alles abzublasen und allen Bescheid zu geben. Warum hatte er sie über den Atlantik nachkommen lassen, wenn er …?
„Er hatte nicht den Mumm, dir gegenüberzutreten.“
„Und da hat er dich geschickt, um es mir zu sagen?“ Ausgerechnet ihn hatte Jamie dafür ausgesucht? Es war fast komisch. „Kein Anruf? Kein Brief? Ist das ein Witz?“
„Nein. Er ist weg, und er wird nicht zurückkehren.“
An den Rändern ihres Gesichtsfelds wurde es schwarz. Als Clare schwankte, umfasste er ihre Arme, um sie zu stützen.
„Du musst dich hinsetzen.“
Sie riss sich los und konzentrierte sich auf die Schmutzflecke auf seinem Jackett. Wie sie dort hingeraten waren, interessierte sie nicht. Sie musste nachdenken … Ihr Blick glitt zur Tür, und ihre Augen wurden groß vor Entsetzen.
„Ich werde gehen“, bot er an.
Du lieber Himmel. All die Leute hinter der Tür warteten auf sie. Wie sollte sie ihnen bloß ins Gesicht sehen? Aber sie konnte nicht ihn die Drecksarbeit für sie machen lassen. Natürlich war das Angebot verlockend. Nur warteten sie auf sie, und einige von ihnen waren Tausende von Meilen geflogen. Für sie. Also musste sie es ihnen mitteilen.
„Warte.“ Clare legte ihm die Hand auf den Arm. „Gib mir noch einen Moment hier drin.“
Sie atmete tief ein und aus, und irgendwie brachte sie die Kraft auf, ruhig zu sprechen. „Ist er mit ihr weggegangen?“
„Clare …“
„Ist er?“
„Wie lange weißt du es schon?“
Sie hatte es nicht mit Sicherheit gewusst, bis er diese Frage stellte. Jetzt hatte sie ihre Antwort. So viel dazu, sich zu sagen, sie leide unter Einbildungen.
Mit einem energischen Nicken ließ Clare seinen Arm los. Wenn der Preis für Naivität das Ende der romantischen Träumerin war, dann wäre das erledigt. Und auf sie wartete jetzt eine Strafe im großen Stil.
„Ich werde es ihnen sagen. In erster Linie sind sie meinetwegen dort draußen.“
„Du musst das nicht tun.“
„O doch.“ Clare unterdrückte ein Schluchzen. Später, befahl sie sich. Später, wenn sie allein war. „Jamie mögen sie ja gleichgültig sein, aber mir nicht. Sie werden es von mir erfahren.“
Als sie Respekt in seiner Miene erkannte, spürte sie, wie ein hysterisches Lachen in ihr aufstieg. Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass ihr etwas so Erniedrigendes den Respekt des Mannes einbrachte, der von vornherein nicht mit ihr einverstanden gewesen war.
Er trat zurück, öffnete die Tür für sie und ragte über Clare auf, die tief Atem holte und dann zögerte.
„Ich bin hier, wenn du mich brauchst.“
Durch einen Tränenschimmer lächelte sie ihn an und ging in den angrenzenden Raum, den Blick auf den blumengeschmückten Bogen an der Vorderseite gerichtet statt auf das Meer der Gesichter, die sich ihr zuwandten.
Es war die größte Demütigung ihres Lebens.
„Leider muss die Hochzeit heute ausfallen …“
1. KAPITEL
„Ich rufe dich an.“
„Ja, bitte.“
Quinn öffnete seine Bürotür, nicht sicher, was ihn missbilligend die Stirn runzeln ließ. War es das Ende des Gesprächs oder der Anblick seiner persönlichen Assistentin, die von einem Mann umarmt wurde, den er noch nie gesehen hatte? Schließlich sollte er über alles informiert sein, was in seinen Büros vorging. Und er hatte das unangenehme Gefühl, dass er ausgeschlossen war – etwas, was er niemals duldete.
An den Türpfosten gelehnt, wartete er mit zusammengekniffenen Augen, bis sich der Unbekannte von ihr löste und hinausging.
„Neuer Freund?“
Strahlend grüne Augen fesselten seinen Blick. „Nein. Wann sollte ich denn wohl Zeit für einen Freund haben?“
„Nur Arbeit und kein Vergnügen tut nicht gut.“
Kopfschüttelnd beugte sich Clare vor und nahm ein Blatt Papier von ihrem Schreibtisch. Flüchtig musterte Quinn ihre perfekt sitzende cremefarbene Bluse und die schlichte
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