Julia Extra Band 0305
Kategorie gehört in der Verabredungsetikette das Küssen vor der Tür?“
„Ich würde sagen, das fällt unter ‚freigestellt‘. Oder …“ Ihr Herz schlug fast schmerzhaft heftig, als Quinn zu lächeln begann.
„Oder?“
Wenn er sie nicht küsste, musste sie ihn vielleicht umbringen. „Oder es liegt in deinem Ermessen.“
„Gut zu wissen.“
Clare hielt den Atem an. Langsam ließ Quinn ihre Hand los. Seine Stimme war so leise, dass sie gerade eben noch das Geräusch der Regentropfen übertönte, die auf Beton, Bäume und Autos fielen.
„Gute Nacht, Clare …“
Was? Er wollte gehen? Er würde sie nicht küssen?
Natürlich nicht. Sie kam sich sehr dumm vor. Quinn und sie waren Freunde. Sie war das niedliche Mädchen aus der Wohnung unter ihm. Er konnte in ganz New York jede Frau haben, die er begehrte.
„Gute Nacht, Quinn.“
Er rührte sich nicht. Ahnte er denn nicht, dass sie verging vor Sehnsucht nach einem Kuss, den sie sich nicht so verzweifelt wünschen sollte?
Herzzerreißend sanft schob Quinn ihr das nasse Haar aus dem Gesicht. Die schlichte Berührung ließ Clare aufseufzen. Wie konnte ein Mann mit seiner Erfahrung nicht wissen, was er ihr antat?
„Du solltest hineingehen.“
Der raue Klang seiner Stimme war das Erotischste, was Clare jemals gehört hatte. „Ja.“ Aber erst, wenn er weg war. Sie bezweifelte, dass sie fähig war, ihre Füße in Bewegung zu setzen. Mit jedem zittrigen Atemzug wurde die Sehnsucht größer. Das Wort „bitte“ lag ihr auf der Zunge.
Wenn Quinn nicht bald verschwand, würde sie sich völlig lächerlich machen.
„Wir sehen uns morgen.“
„Bis dann“, erwiderte Clare, während ihr Herz „Bleib!“ schrie.
„Kannst du deine blöde Heiratsvermittlungsfirma nicht einfach in meinen Büros führen?“
Erstaunt blickte sie ihn an. Hatte sie in ihrer Verwirrung irgendetwas verpasst? Zwar hätte sie so einen Vorschlag durchaus in Erwägung gezogen, bevor sie die Wette abgeschlossen hatten, aber …
„Warum sagst du das, wenn du es noch immer für eine blöde Geschäftsidee hältst?“
„Wieso versteckst du dich noch immer, wenn du bei einem Date so bist?“
„Ich verstecke mich nicht. Ich habe nur noch keinen Mann getroffen, mit dem ich mich verabreden möchte …“ Bis jetzt, hätte Clare fast hinzugefügt. War Quinn nicht auf den Gedanken gekommen, dass sie bei ihrem Scheinrendezvous so locker gewesen war, weil sie den Abend mit ihm zusammen verbracht hatte? Mit jemandem, den sie schon gernhatte. Vielleicht ein bisschen zu sehr für etwas, was eigentlich eine platonische Beziehung sein sollte.
„Denk über gemeinsame Büros nach.“
„Ich kann mich nicht ständig darauf verlassen, dass du mir hilfst.“
„Doch, kannst du.“
Nein. Nicht mehr. Was vor ein paar Wochen nur vorläufige Pläne gewesen waren, musste allmählich konkreter werden. Clare wusste, dass Quinn immer für sie da sein würde, wenn sie ihn brauchte. Als ein guter Freund. Und sie fand das wundervoll. Nur konnte ihre Beziehung nicht so bleiben, wie sie war. Nicht, wenn sie sich in ihn verliebte …
„Überleg es dir, Clare.“ Er wandte sich ab und lief die Stufen hinauf.
Als er schon auf dem Bürgersteig war, hatte sie endlich einen klaren Gedanken. „Quinn?“
Er drehte sich um, das Licht der Straßenlaternen machte es ihr leichter, sein Gesicht zu sehen.
„Ja?“
„Machst du diese Heiratsvermittlungssache, um mich daran zu hindern, zu kündigen? Geht es darum?“ Ein Hoffnungsschimmer flackerte in ihr auf. Wenn Quinn sie in seiner Nähe behalten wollte, mochte er sie möglicherweise ebenso gern wie sie ihn. Vielleicht würde er sie vermissen. Vielleicht war das ein Anfang?
„Wie ehrlich soll ich sein?“
„Hundertprozentig, wie immer.“ Clare lächelte, obwohl sie wusste, dass es nicht richtig war. Wenn Quinn sich die Wette ausgedacht hatte, damit sie schließlich weiter für ihn arbeitete, sollte sie zumindest verstimmt sein. So zu empfinden war unter den jetzigen Umständen allerdings nicht einfach. „Jede Lüge ist ein Vertrauensbruch.“
„Für dich gibt es nur Schwarz oder Weiß, nicht wahr? Keinen der vielen Grautöne dazwischen.“
„Wenn mehr Menschen so denken würden, hätten wir weniger Kummer auf der Welt.“
Stirnrunzelnd blickte Quinn die Straße hinunter.
„Du hättest mir sagen können, du möchtest, dass ich bleibe.“ Clare beobachtete, wie er die Lippen zusammenpresste. Noch nie hatte sie sich so weit entfernt von ihm gefühlt.
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