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Julia Extra Band 0305

Julia Extra Band 0305

Titel: Julia Extra Band 0305 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trish Wylie , Kate Hewitt , Sabrina Philips , Valerie Parv
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Vogelscheuche. Aus seinem T-Shirt und der zerlumpten Hose ragten lange, dünne Arme und Beine hervor. Er schien Hunger zu haben, doch seine silbergrauen Augen blickten stolz und unbeugsam.
    „Willst du etwas von mir?“, fragte Edward auf Griechisch. Er nahm nicht an, dass ein Gassenjunge aus Piräus über Fremdsprachenkenntnisse verfügte. Geduldig schlang er die Leine um sein sonnengebräuntes Handgelenk und wartete.
    Der Junge atmete tief durch. „Dasselbe wollte ich Sie gerade fragen.“
    Edward lachte. „Tatsächlich?“
    „Ja. Ich kann alle möglichen Arbeiten verrichten“, kam es eifrig zurück. „Ihr Boot waschen, Botengänge machen, die Bilge auspumpen. Ich mache das für wenig Geld.“
    „Solltest du nicht in der Schule sein?“
    Schulterzuckend und ohne erkennbares Bedauern erwiderte der junge Teenager: „Hab ich an den Nagel gehängt.“
    „Warum?“, wollte Edward wissen.
    Ein Schatten legte sich über das junge Gesicht. „Ich habe eine Familie zu ernähren.“
    Edward hätte beinahe gelacht. „Eine Familie?“
    „Ja, meine Mutter und drei Schwestern. Die jüngste ist noch ein Baby.“ Der Junge verschränkte die Arme vor der Brust und musterte Edward herausfordernd. „Was ist, heuern Sie mich an?“
    Es gab keinen vernünftigen Grund, einen Jungen wie ihn einzustellen. Edward war Millionär. Er brauchte keine billigen Arbeitskräfte, erst recht keine ungelernten. Doch etwas in den Augen des Jungen – sein eiserner Wille zu arbeiten, zu überleben – ließ ihn zögern. „Ja“, sagte er bedächtig, „ich glaube schon.“
    Der griechische Junge erlaubte sich kaum mehr als den Anflug eines triumphierenden Lächelns. „Wann soll ich anfangen?“
    „Wie wäre es mit sofort?“
    „Kein Problem.“
    „Und wie heißt du?“
    Der schmächtige Junge straffte die Schultern. „Demos Atrikes.“ Behände sprang er an Bord.
    Da stand er nun auf Edwards millionenschwerer Jacht, ließ sich aber kaum anmerken, wie beeindruckt er war. Er strich nur einmal andächtig mit der Hand über das glatt polierte Holz der Reling, dann sah er Edward fest in die Augen und fragte: „Was soll ich tun?“
    „Sag mal, musst du wirklich so dringend arbeiten?“, hakte Edward nach.
    Das resignierte Schulterzucken des Jungen war Antwort genug. „Meine Familie ist auf mich angewiesen. Deshalb bin ich hier.“
    Edward nickte. Er wusste, welche Möglichkeiten einem Jugendlichen wie ihm offenstanden – die Docks, die Fabriken oder die Straßenbanden. „Ich brauche jemanden zum Deckschrubben“, meinte er. „Wenn du dir dafür nicht zu schade bist.“ Der Junge streifte ihn mit einem zornigen Blick.
    „Ich würde alles tun“, sagte Demos Atrikes im Brustton der Überzeugung. Edward glaubte ihm aufs Wort.
    Er beobachtete, wie Demos Atrikes das Deck schrubbte, Planke für Planke mit unnachgiebiger Gründlichkeit. Seine knochigen Schultern stachen unter dem dünnen T-Shirt hervor, sein Nacken war krebsrot von der Sonne.
    Edward ließ ihn den ganzen Tag arbeiten. Der Junge hätte es nicht anders gewollt. Als er ihm abends ein Bündel Drachmenscheine überreichte, blätterte Demos sie geübt, aber sichtlich zufrieden durch.
    „Soll ich morgen wiederkommen?“ Seine Stimme schwankte kaum merklich.
    „Ja“, sagte Edward, „ich kann dich gebrauchen.“ Er würde sich etwas einfallen lassen.
    Demos nickte, sprang von Bord und schlenderte barfuß über die Docks davon. Die argwöhnischen Blicke der reichen Jachtbesitzer ringsum schien er gar nicht wahrzunehmen. Ihre Verachtung prallte wirkungslos an ihm ab.
    Edward hörte ihn in der kühlen, salzhaltigen Luft unbekümmert vor sich hinpfeifen. Man hätte ihn für einen ganz normalen griechischen Jungen halten können, der sich am Hafen herumtrieb, doch Edward wusste es besser.
    Sein Blick glitt zu dem schäbigen T-Shirt, unter dem Demos das Bündel Geldscheine versteckt hatte, damit es ihm niemand stahl.
    Dieser Junge war anders.
    Ich würde alles tun, hatte er gesagt. Edward fragte sich besorgt, ob es eines Tages so weit kommen würde.

1. KAPITEL
    Zwanzig Jahre später
    Demos Atrikes stand mit skeptischem Blick am Rand der grell ausgeleuchteten Tanzfläche, umringt von wild zuckenden Tänzern. Die Musik dröhnte ihm in den Ohren. Auf einen wogenden roten Vorhang an der gegenüberliegenden Wand wurden abstrakte Bilder projiziert. Wer von den gelangweilten jungen Leuten der Athener High Society sich nicht auf der Tanzfläche amüsierte, rekelte sich auf einem der ledernen

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