Julia Extra Band 0313
werdenden Regenwald.
Miguel lächelte dünn. „Nach Hause.“
Sonnenlicht flimmerte durch das dichte Laubdach und ließ die Bilder vor seinem geistigen Auge wie einen alten Film ablaufen. Endlose Stunden Arbeit hatte er in die Restaurierung der alten Hazienda investiert. Er hatte das Haus für Allegra renoviert. Das große Geschenk zum ersten Hochzeitstag.
Es stand am Rande des Dschungels wie ein Mahnmal für eine schiefgegangene Ehe, die Arbeiten unvollendet, ein Symbol für alles, was ungeklärt zwischen ihnen lag.
Der perfekte Ort, um die Unsicherheiten zwischen ihnen aus der Welt zu schaffen.
Bald sind wir da, dachte er und entspannte sich. So sehr, dass er die erhöhte Verkehrsinsel zu spät registrierte. „Halt dich fest“, rief er und trat auf die Bremse.
Allegra stieß einen Schrei aus und stützte sich mit beiden Händen auf dem Armaturenbrett ab. Mit aufgerissenen Augen, den Blick starr geradeaus gerichtet, stürzten Bilder auf sie ein. Sie wurde blass, ihr stockte der Atem.
Besorgt fuhr Miguel den Wagen an den Straßenrand. „Was ist? Was siehst du?“
Stirnrunzelnd schüttelte sie den Kopf, als wäre sie frustriert, dass er ihre Erinnerung gestört hatte. „Dasselbe wie immer. Ich höre Cristobels Weinen, bevor der weiße Jetta meinen Wagen rammt. Doch dieses Mal habe ich das Gesicht des Fahrers gesehen. Es war Amando Riveras. Oh Gott! Er ist mir gefolgt, weil ich dich finden wollte. Er wollte mich umbringen, Miguel!“
Maßloser Schmerz überflutete Miguel. Er legte den Gang ein und fuhr wieder an. Die ganze Zeit über hatte er Allegra verantwortlich gemacht. Dabei hatte der Mann, den er zu ihrem Schutz eingestellt hatte, eine Gefahr für sie dargestellt! Riveras sollte jetzt besser beten, dass Miguel ihn niemals finden würde!
Er bog auf einen asphaltierten Weg ein. Der Wald stand hier so dicht, dass die Äste an dem Geländewagen entlangstreiften. Jemand, der diesen Weg nicht kannte, würde ihn von der Straße aus wahrscheinlich nicht einmal bemerken. Und so hatte Miguel es auch beabsichtigt.
Die Auffahrt wand sich durch ein Mangrovendickicht, dann wich der Dschungel zurück, und ein großer Garten kam in Sicht, in dem eine alte Hazienda stand. Das Haupthaus war kleiner als die meisten der hier angesiedelten, doch dadurch wirkte es auch viel anheimelnder und einladender.
Mit etwas Abstand parkte er vor dem Haus. Allegras erstaunter leiser Ausruf war ihm nicht entgangen. Die untergehende Sonne tauchte das Haus in warmes goldenes Licht, es wirkte wie ein kleiner Palast, eines Maya-Königs würdig.
„Es ist wunderschön“, sagte sie.
Ihre Begeisterung half nicht, sein Schuldgefühl zu mildern. Er hatte das Haus für sie restauriert. Alles hier erinnerte ihn an sie. Die ständige Qual, die in seinem Innern brannte und auf die er gern verzichtet hätte, war der Grund, weshalb er die Arbeiten nicht vollendet hatte.
Und nun? Nun suchte er einen neuen Anfang mit seiner Frau, der er Unrecht getan hatte. Seine Frau, die dieses Mal mehr von ihm erwartete. Seine Frau, die wesentlich mehr verdient hatte, als er zu geben bereit war.
„ Gracias .“ Miguel kam um den Jeep herum, um ihr beim Aussteigen zu helfen. Er verschränkte die Finger mit ihren, zog sie an seine Seite und spürte ihren beschleunigten Puls auf sich übergehen.
„Was ist das für ein Haus?“
„Eine alte Hazienda, die ich wieder aufgebaut habe.“ Er brachte es nicht über sich, ihr zu sagen, dass es ihr Haus werden sollte. Noch nicht.
„Wie lange hast du dieses Anwesen schon?“
„Etwas über zwei Jahre.“
Sie schaute fort, doch er erhaschte noch den Schmerz in ihren Augen, weil er auch das vor ihr verschwiegen hatte. „Dann ist das wohl eine von den Haziendas, die du zu einem Luxushotel umbauen willst.“
„Nein. Es sollte eine Überraschung für dich sein.“ Miguel beobachtete ihr Gesicht genau und verfolgte mit, wie sie zu verstehen glaubte.
„Du hast dieses Haus für uns gekauft?“
„ Sí .“ Sein Blick glitt prüfend über die fertige Terrasse, die jedoch dem Vergleich zu den aufwendigen Innenarbeiten nicht standhalten konnte. „Hier habe ich in den letzten Monaten deiner Schwangerschaft jede freie Minute verbracht. Ich wollte unser neues Zuhause noch vor Cristobels Geburt fertigstellen, doch dann kam der Hurrikan und vereitelte meine Pläne.“
„Du warst so oft weg“, erwiderte sie, und er nickte nur, denn es gab nichts, was er entgegnen konnte. „Du hättest es mir sagen
Weitere Kostenlose Bücher