Julia Extra Band 0313
Ich wusste überhaupt nichts. Aber irgendjemand wusste es. Wer, Miguel? Wer wusste, wo er dich finden konnte? Schließlich kamst du zur Geburt unserer Tochter, um dann gleich darauf wieder zu verschwinden. Deine Mutter?“
Ein Muskel zuckte hektisch in seinem Gesicht. „Sie wusste, dass ich in Tumbenkahal arbeitete, wenn ich nicht auf der Hazienda war.“
„Deiner Frau hast du das aber nicht gesagt.“
„Es sollte ja auch eine Überraschung werden.“ Ungeduldig wischte er ihren Einwand fort. „Außerdem … welchen Unterschied macht das jetzt noch?“
„Warum hat deine Mutter dir dann nicht sofort nach dem Unfall Bescheid gegeben? Warum hat sie nicht jemanden geschickt, um dich wissen zu lassen, dass dein Baby tot ist und deine Frau in der Klinik um ihr Leben kämpft?“
Sein Gesicht wurde fahl. „Ich war außer Landes und nicht zu erreichen.“ Wellen des Ärgers gingen von ihm aus. „Ich bezweifle nicht, dass du schwer verletzt warst, querida . Doch bilde dir nicht ein, dass ich dem Mann vergebe, der meine Frau sechs Monate vor mir weggesperrt hat.“
Sie presste ihre Hände gegen seine Brust. „Ich werde nicht zulassen, dass du Onkel Loring Schaden zufügst. Er ist ein alter Mann, der von einer bescheidenen Rente lebt und der sein Geld ausgegeben hat, damit ich die bestmögliche Pflege erhalte. Während mein Mann das gesamte Krankenhaus hätte kaufen können!“
„Und deshalb soll ich ihm etwa vergeben?“
„Genau! Deine Rache ist völlig widersinnig, Miguel. Denn hättest du mich wirklich finden wollen, wäre es dir auch gelungen.“ Es tat weh, die Wahrheit, die sie so lange verfolgt hatte, auszusprechen. „Du bist nicht der Mann, der aufgibt. Es sei denn, du entscheidest dich dafür.“ Damit schritt sie mit würdevoll erhobenem Kopf aus dem Raum, auch wenn ihr Herz blutete.
Er hätte sie finden können. Die Wahrheit war, dass er sie nicht hatte finden wollen.
Die schnellen Schritte auf den Fliesen warnten sie, dass er ihr auf dem Fuße folgte. Allegra stellte sich auf einen handfesten Streit ein, dabei war sie es so endlos müde, dass sie sich nur im Kreis drehten – er vertraute ihr noch immer nicht.
„Na schön“, sagte er schließlich. „Ich unternehme nichts gegen deinen Onkel, wenn du bei mir bleibst.“
Wütend wirbelte sie herum. Sie fasste es nicht, dass er sie erpressen wollte! „Das kannst du nicht ernst meinen!“
„Jedes Wort! Du bleibst, und ich lasse Loring Vandohrn seinen Ruhestand genießen. Du gehst, und ich werde ihn ruinieren.“
„Fein, ich bleibe. Aber solange du mir nicht vertrauen lernst, werde ich nie etwas anderes sein als deine Dirne!“
Allegra hatte einen Ausbruch erwartet, doch stattdessen drehte er sich um und verließ das Haus. Gut! Sollte er sich nur in dem Wasserloch abkühlen. Und sie würde die Zeit ebenfalls nutzen, um ihr Temperament wieder zu beruhigen!
Doch nach der halben Stunde, die sie benötigte, um das Abendessen vorzubereiten, war er noch immer nicht zurück. Und nach weiteren fünfzehn Minuten, in denen die Stille nur von den Schreien derAffen und exotischerVögel unterbrochen wurde, begann Allegra, sich Sorgen zu machen. Hatte Miguel beim Schwimmen einfach nur die Zeit vergessen? Oder war ihm etwas zugestoßen?
Grübelnd kaute sie an ihrer Lippe und rang mit sich, was sie tun sollte. Noch länger zu warten schien ihr wenig sinnvoll. Und er hatte sie schließlich eingeladen, mit ihm zu kommen …
10. KAPITEL
Allegra stieß die Tür auf und eilte auf die Veranda hinaus. Das Klicken ihrer Absätze ließ die Dschungelgeräusche verstummen. Die Hände um den Mund gelegt, rief sie nach Miguel.
Nur unheimliche Stille folgte als Antwort.
Sie schaute über den Rasen zum Ende des Gartens. Das Kalksteinloch musste dort hinten liegen. Es konnte nicht lange dauern, dorthin zu gelangen.
Sie schritt über den Rasen und schaute sich suchend um. Gleich darauf stand sie am Rand des Wassers. Die letzten Sonnenstrahlen fielen auf die ruhige Wasseroberfläche unten in der Höhle und ließen das Wasser eher schwarz als türkis aussehen. Eine hölzerne Stiege führte hinunter.
„Miguel, bist du hier?“
Sie fühlte, dass sie hier unten allein war, und die Stille ließ ihr die Nackenhärchen zu Berge stehen. Hastig kletterte sie wieder nach oben und stolperte im Zwielicht der Dämmerung auf die Lichtung.
Das Haus, auf dem Hinweg noch so nah, schien auf einmal eine unüberbrückbare Strecke entfernt. Die Schatten aus dem Dschungel griffen nach
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