Julia Extra Band 0313
Schwestern ganz allein durch die Welt gondelten, beziehungsweise mit einem völlig fremden Mann. Wieso ließen Miss Belperios Eltern das zu?
Nicht, dass sie sich seinetwegen Sorgen machen mussten! Im Gegenteil, er würde aufpassen, dass der jungen Dame aus Australien nichts zustieß.
Onkel Albertos Ermahnung war unnötig gewesen. Er, Ricardo, hatte mit jungen Mädchen nichts im Sinn. Für ihn waren nur Frauen interessant, die die Spielregeln kannten und nichts weiter erwarteten als ein bisschen Spaß.
Lyssa konnte sich an den antiken Monumenten kaum sattsehen, als Ricardo den Wagen durch die verkehrsreichen Straßen stadtauswärts steuerte. Anderswo musste man ins Museum, um Zeugnissen derVergangenheit zu begegnen, hier lebten die Menschen mit ihnen.
Verwitterte Statuen, verschnörkelte Brunnen, Ruinen aus römischer Zeit, barocke Kirchen – das alles bildete mit den Zeichen der Moderne eine wunderbare, aufregende Mischung.
Schließlich hatten sie die Stadt hinter sich gelassen und gelangten auf die Autobahn Richtung Süden.
Lyssa lehnte sich entspannt zurück. Schade, dass sie keine Gelegenheit gehabt hatte, Rom genauer zu erkunden. Das würde sie auf dem Rückweg aber ganz bestimmt tun, nahm sie sich vor.
Inzwischen konnte sie sich auf einen der weltweit schönsten Küstenstriche freuen: das kleine ehemalige Herzogtum Amalfisüdlich von Neapel.
Erfreulich war auch, einen so interessanten Mann als Begleiter zu haben! Kurz blickte sie zu Ricardo. Er war ganz anders als jeder Reiseleiter, den sie jemals getroffen hatte, und das waren nicht wenige.
Als sie ihn vorhin gesehen hatte, wie er lässig an seinem Sportwagen lehnte, hätte sie ihn eher für einen Filmstar gehalten. Er trug einen dunkelgrauen Designeranzug zu einem blütenweißen Hemd, allerdings keine Krawatte.
Seine Augen waren dunkel wie Espresso, und sein forschender Blick hatte ihre Haut kurz zum Prickeln gebracht. Seltsamerweise hatte sie plötzlich das Gefühl gehabt, Ricardo Rossetti schon seit Langem zu kennen.
Woher das wohl kam?
Als sie ihn jetzt unauffällig betrachtete, wurde es ihr schlagartig klar. Er sah genau so aus, wie sie sich ihren Traummann früher ausgemalt hatte!
Das dunkle, kurze, etwas lockige Haar, das markante Profil mit der geraden Nase – ja, das ist der Mann meiner Träume … gewesen, fügte Lyssa in Gedanken rasch hinzu.
Sie wandte den Blick ab. Eigenartig, dass sie sich an diese Fantasiegestalt noch so genau erinnerte, obwohl sie zwei Jahre mit Steve zusammen gewesen war und auch vor ihm einige Freunde gehabt hatte.
Vielleicht lag es daran, dass sie immer wieder mit Chloe darüber gesprochen und so das Traumbild am Leben gehalten hatte.
Als sie dicht neben sich eine Hupe hörte, schrak sie hoch. Der Verkehr war wirklich abenteuerlich. Zum Glück hatte man ihr Ricardo geschickt! Wenn sie selbst hätte fahren müssen, wäre sie jetzt schon ein nervöses Wrack.
„Wohin geht es eigentlich genau?“, erkundigte sie sich.
„Nach Salerno. Dort essen wir zu Mittag.“
„Aha. Und wie lange dauert es bis Salerno?“
„Bei dem Tempo ungefähr drei oder dreieinhalb Stunden“, gab Ricardo bereitwillig Auskunft.
„So lang?“ Lyssa war jetzt schon schrecklich hungrig.
Das war, neben der häufigen Müdigkeit, ein weiterer Nachteil der Schwangerschaft. Zum Glück war ihr die Übelkeit erspart geblieben – bis jetzt wenigstens.
„Könnten wir an einer Raststätte oder so anhalten und etwas zu essen besorgen?“, bat sie. „Und zwar bald? Ich hatte keine Zeit zu frühstücken, und ich bin …“ Noch rechtzeitig stoppte sie sich. Was ging es ihren Chauffeur an, dass sie schwanger war. „Ich bin wahnsinnig hungrig“, beendete sie den Satz.
„Warum haben Sie das nicht eher gesagt?“, fragte er, beinah vorwurfsvoll. „Am besten fahren wir ab und suchen in einem netten kleinen Ort ein Café. Einverstanden?“
Freudig stimmte sie demVorschlag zu.
Bei der nächsten Ausfahrt verließen sie die Autobahn und fuhren ein Stück übers Land. Neben der Straße weideten hellbraune Kühe auf saftigen Wiesen, Häuser mit den typischen roten Dächern aus Terrakottaziegeln schmiegten sich an die Hänge der Hügel.
Schließlich gelangten sie in eine kleine Stadt mit schmalen Straßen. Ricardo parkte den Wagen am Ende einer Reihe unordentlich abgestellter Autos.
Lyssa lächelte erfreut. Hier war alles so … italienisch.
Es gab einfach kein besseres Wort.
2. KAPITEL
Im Café am Hauptplatz gab es eine so große Auswahl
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