Julia Extra Band 0313
beinah, als sei sie nach Hause gekommen, dabei war sie doch eine waschechte Australierin! Vielleicht hatte sie die Liebe ihres Vaters zu seiner Heimatstadt geerbt?
Jedenfalls war es schön, einfach nur dazuliegen und dem Straßenlärm zu lauschen, der seltsam tröstlich auf sie wirkte, sogar das laute Hupen und die durchdringenden Sirenen von Einsatzfahrzeugen …
Plötzlich hörte Lyssa das Telefon läuten und schrak hoch. Als sie abnahm, wurde sie förmlich mit einem Schwall Italienisch übergossen, von dem sie kaum ein Wort verstand. Sie sah auf die Uhr und schüttelte den Kopf.
Das durfte nicht wahr sein! Sie hatte tatsächlich die ganze Nacht und den halben Morgen verschlafen. Und was der Empfangschef an der Rezeption ihr mitzuteilen versuchte, war, dass ihr Chauffeur bereits vor dem Hotel auf sie wartete.
Verflixt! Sie legte auf und hastete ins Bad. Es blieb keine Zeit, das lockige, etwas widerspenstige Haar zu waschen und glatt zu föhnen, also band sie es zu einem einfachen Pferdeschwanz zusammen. Damit sah sie sehr jung aus, aber das musste sie in Kauf nehmen.
Nach einer kurzen Dusche zog sie Jeans und ein T-Shirt an statt des eleganten Kostüms, in dem sie die Reise hatte antreten wollen. Für ausgiebiges Styling hatte sie wirklich keine Zeit, ja, sie musste sogar aufs Frühstück verzichten.
Nicht nur auf eine kleine Besichtigungstour.
Das kam davon, wenn man verschlief!
Ricardo sah ungeduldig auf die Uhr, dann lehnte er sich gegen seinen Lamborghini. Onkel Alberto hatte ihm den firmeneigenen Minibus aufdrängen wollen, aber das war für ihn nicht infrage gekommen. Schlimm genug, dass er den Reiseleiter spielen sollte, da musste er nicht auch noch wie einer aussehen.
Nichts gegen den Minibus, der war völlig in Ordnung – wenn man, wie sein Onkel, Familienvater war. Er selber war keiner und wollte keiner sein. Deshalb hatte er auf seinem Sportwagen bestanden. Einer Fremden zuliebe darauf verzichten? Nie und nimmer!
Aus dem Hotel kam ein junges Mädchen und sah sich nach allen Seiten um, bevor es wieder nach drinnen ging. Ein hübsches Mädchen! Es erinnerte ihn an seine Schwestern. Wie es denen wohl in ihrem Schweizer Internat ging? Er musste sich mal wieder bei ihnen melden. Das letzte Telefongespräch lag schon viel zu lange zurück.
Plötzlich kam das Mädchen wieder heraus, begleitet vom Portier, der auf den Lamborghini zeigte. Die Kleine nickte und kam, einen Koffer hinter sich herziehend, ausgerechnet auf ihn, Ricardo, zu und blieb vor ihm stehen.
„Buon giorno, mi chi amo Lyssa Belperio“ , sagte sie stockend auf Italienisch.
Fassungslos sah er sie an. Das war die wichtige Persönlichkeit, deretwegen sein Onkel alle Register zog, um sie zu beeindrucken?
Nein, wahrscheinlich war die Mutter der Kleinen die Journalistin, die den Ruf des Unternehmens Amalfitori auf dem gesamten australischen Kontinent verbreiten sollte.
Aber aus dem Hotel kam sonst niemand.
„Lyssa Belperio“, wiederholte Ricardo, und fügte auf Englisch hinzu: „Die Autorin aus Australien? Die über ihre Reisen schreibt?“
„Ja, genau.“ Ihr strahlendes Lächeln ließ sie noch jünger wirken.
„Ich bin Ricardo Rossetti.“ Dass Miss Belperio ihn nicht kannte, wurde ihm sofort klar. Statt ihn anzusehen, betrachtete sie skeptisch das Auto.
„In meinen Unterlagen hieß es, ich würde die Tour in einem Minibus machen“, informierte sie ihn.
„Der ist zurzeit nicht verfügbar“, antwortete Ricardo höflich. „Ich hoffe, das macht Ihnen nichts aus?“
„Im Prinzip nicht, aber hat mein Gepäck in diesem Wagen überhaupt Platz?“ Zweifelnd wies sie auf das kurze Heck des Autos.
„Natürlich.“
Er nahm ihr den Koffer ab und ging damit zur Front des Wagens. Der Kofferraum war nicht sehr groß, und seine Tasche befand sich schon darin, aber er schaffte es, auch ihr Gepäck unterzubringen. So gerade eben.
Dann führte er sie zur Beifahrerseite und öffnete ihr die Tür.
„Ach so, im Heck befindet sich der Motor.“ Sie lächelte ihn schelmisch an. „Der Wagen hat doch hoffentlich einen Motor?“
„Und was für einen“, bestätigte Ricardo und erwiderte das Lächeln.
Lyssa Belperio war ganz anders als erwartet. Nicht elegant, nicht mondän – und sehr jung. Sie trug Jeans, ein rosa T-Shirt sowie rosa Turnschuhe und sah nicht anders aus als die vielen Rucksacktouristen, die Roms Plätze bevölkerten.
Er ging um den Wagen herum und setzte sich hinters Steuer. Ihm würde es nicht behagen, wenn seine
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