Julia Extra Band 0313
hatte!“
Ricardo lachte leise.
„Sie finden das vielleicht komisch“, empörte sie sich, „ich fand es, wie gesagt, einfach peinlich. Oder beim Einkaufen, wenn sie wie auf einem italienischen Markt alles Gemüse und Obst erst einmal angreifen musste, obwohl das in Australien untersagt ist. Es stehen sogar Schilder an den Verkaufsständen ‚Berühren verboten‘, aber sie hat so getan, als könne sie kein Englisch. Und wenn sie eine Tomate quasi zu Matsch gedrückt hatte, fand sie, dass die nicht mehr gut genug für sie war.“
„Jetzt übertreiben Sie aber“, meinte Ricardo und lachte wieder.
„Nein, gar nicht“, widersprach sie, obwohl er natürlich recht hatte. Aber es war gut, ihn jetzt lachen zu hören, nachdem sie vorhin über seine traurige Jugend geredet hatten. „Ich könnte Ihnen noch viel mehr Beispiele nennen, aber das lasse ich lieber. Jedenfalls können Sie sich glücklich schätzen, hier aufgewachsen zu sein.“
„Das bin ich“, versicherte er.
„Sind Sie viel gereist?“, wollte sie dann wissen.
„Durchaus. Ich habe sogar schon einige Zeit im Ausland gelebt, und zwar in Großbritannien, als ich für einen englischen Club spielte.“
„Das erklärt Ihr ausgezeichnetes Englisch“, meinte Lyssa anerkennend. „Hat es Ihnen dort gefallen?“
„Ja, sehr. Ich wäre gern länger geblieben, aber mein Verein hatte mich sozusagen nur ausgeliehen und wollte mich zurück.“ Er zuckte die Schultern. „Jedenfalls bin ich viel in Europa gereist, außerdem war ich in den USA, aber noch nie in Australien. Und hier geht es zum Hotel“, erklärte er und bog von der Straße ab.
Sie fuhren durch ein Pinienwäldchen bis vor ein weißes dreistöckiges Haus mit schmiedeeisernen Balkonen vor hohen Bogenfenstern.
„Das gefällt mir“, sagte Lyssa begeistert.
In der Halle begrüßte die auffallend hübsche junge Empfangsdame Ricardo mit einem strahlenden Lächeln. „Wir haben Sie schon erwartet, Signore .“
Lyssa wurde so wenig beachtet, dass sie sich unsichtbar vorkam. Aber dass die junge Frau nur Augen für Ricardo hatte, konnte man ihr nicht verübeln.
Lyssa musste sich beherrschen, um ihn nicht auch die ganze Zeit anzusehen, dabei war er nur – wie sie sich wieder einmal ins Gedächtnis rief – ihr Fahrer und Reiseleiter, also quasi ein Geschäftspartner.
Bevor sie sich auf ihre jeweiligen Zimmer begaben, verabredeten sie, wann sie sich zum Essen treffen wollten.
Das Zimmer war sehr hübsch, sehr komfortabel und bot einen Blick durch die Pinien aufs Meer.
Zufrieden seufzend setzte Lyssa sich aufs Bett. Es war ein ereignisreicher Tag gewesen, und sie war nun doch ein bisschen erschöpft. Am liebsten hätte sie sich für eine Weile hingelegt, aber wozu das führen konnte, hatte sie ja in Rom erfahren. Also ließ sie es bleiben, um nicht wieder erst am nächsten Morgen aufzuwachen!
Eine belebende Dusche war viel ratsamer.
Lange stand sie unter dem prasselnden Strahl und wagte als Abschluss einen kühlen Guss. Herrlich erfrischt machte sie sich daran, das Haar glatt zu föhnen und dezentes Make-up aufzutragen.
Schließlich zog sie ein hellgrünes Kleid aus knitterfreiem, seidigem Material an und strich es über den Hüften glatt. Noch immer sah man ihr die Schwangerschaft nicht an, obwohl sie schon ein bisschen zugenommen hatte. Das lag allerdings wohl eher an ihrem gesegneten Appetit!
Zum Schluss schlüpfte sie in ihr einziges Paar hochhackiger Schuhe und blickte prüfend in den Spiegel. Ja, sie konnte zufrieden sein. Natürlich dachte sie nicht im Traum daran, Ricardo mit ihrem Aussehen beeindrucken zu wollen, aber immerhin konnte sie ihm zeigen, dass sie nicht immer wie ein unbedarfter Teenager aussah.
Als sie ihn im Hotelrestaurant traf, verriet sein Blick, dass er durchaus von ihr beeindruckt war. Und das gefiel ihr trotz allem.
Ohne mehr zu sagen als Hallo!, führte er sie zu einem Tisch und rückte ihr den Stuhl zurecht.
„Und, wie alt sehe ich jetzt aus?“, fragte sie herausfordernd, als Ricardo schwieg.
„Antik“, antwortete er und lächelte schief.
„Das fasse ich als Kompliment auf“, meinte sie gut gelaunt.
Er setzte sich und betrachtete sie weiterhin eingehend.
Das machte sie nervös, deshalb wechselte sie rasch zu einem unverfänglichen Thema. Bei der Taktik blieb sie, und so plauderten sie beim Essen nur oberflächlich. Es bestand aus den besten Gnocchi, die sie je gegessen hatte, gefolgt von Salat, verschiedenen Käsesorten und einem Eisbecher als
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