Julia Extra Band 0313
frustrierend sein“, bedauerte sie ihn aufrichtig.
„Stimmt.“ Er seufzte. „Und es ist nicht die erste Operation an dem Knie. Ich habe das alles schon mal durchgemacht.“
„Wie gehen Sie jetzt mit der Presse um?“, erkundigte sie sich.
„Die ist nicht so schlimm. Jedenfalls hier nicht. Reporter kümmern sich mehr um die wichtigen Events und die anschließenden Partys.“ Ricardo lächelte zynisch. „Wir brauchen nicht zu befürchten, dass die Paparazzi uns verfolgen und meinen Zweitjob ans Licht der Öffentlichkeit zerren.“
„Und wie reagieren die Fans?“
„Die sind, wie der alte Mann eben, meist sehr höflich und gar nicht aufdringlich, deshalb behandele ich sie auch höflich und respektvoll. Schließlich ist es auch ihr Geld, von dem ich lebe, oder?“ Prüfend sah er ihr in die Augen. „Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ab und zu einer meiner Fans mich anspricht?“
„Nein. Ehrlich nicht!“, antwortete sie rasch.
Es gefiel ihr, dass er seine Anhänger so respektvoll behandelte und keine Starallüren zu haben schien.
Nach dem zweiten Gang war selbst Lyssa nicht mehr fähig, noch ein Eis zu essen. Das war bestimmt gut so, denn sie würde sonst rund wie eine Tonne! Falls Ricardo eine Freundin hatte, dann bestimmt eins dieser großen, eleganten, superschlanken Supermodels. Also eine, die ganz anders war als sie selbst.
Lyssa sah sich selbst als eine ganz durchschnittliche Frau. Nicht, dass es ihr etwas ausmachte. Außerdem war sie ja gar nicht an Ricardo interessiert, also war es völlig egal, dass sie nicht sein Typ war.
Ja, aber es ist trotzdem ein bisschen enttäuschend, dass er sich auch unter anderen Bedingungen nicht für dich interessieren würde, meldete sich eine hinterhältige innere Stimme zu Wort.
Unsinn, sagte Lyssa sich. Sie war aus beruflichen Gründen hier, er auch. Ja, er war umwerfend attraktiv, aber er spielte in einer ganz anderen Liga, also brauchte sie sich gar nicht erst zu ihm hingezogen zu fühlen.
Als sie bezahlt hatten und nach draußen gingen, entschuldigte Ricardo sich, weil er kurz telefonieren wollte.
Irgendwie war sie über die kurze Atempause froh …
Nachmittags in Paestum lauschte Lyssa wie gebannt Ricardos Erklärungen, während sie den majestätischen Neptuntempel und die sogenannte Basilika betrachtete, die eigentlich ein Tempel – sogar der älteste der Stadt – gewesen war.
Ricardo wusste so vieles Interessantes zu berichten: wann die Stadt von Griechen gegründet worden war, dass der Neptuntempel eigentlich Hera geweiht und etwa so alt wie die Akropolis in Athen war, dass ein Normannenherzog die zu seiner Zeit bereits verlassene Stadt etlicher Säulen und Statuen beraubt hatte.
Nicht nur die Fakten waren faszinierend, auch Ricardos leichter Akzent und seine tiefe Stimme. Lyssa hätte ihm stundenlang zuhören können, ohne sich eine Sekunde zu langweilen.
„Wie kommt es, dass Sie so viel über Paestum wissen, wenn Sie doch kein richtiger Reiseleiter sind?“, erkundigte sie sich auf dem Rückweg zum Auto.
Er zuckte die Schultern. „Ich habe mich schon als Kind für die Geschichte dieser Stadt interessiert.“
„Ach, sind Sie hier in der Gegend aufgewachsen?“
„Ja.“
„Und leben Ihre Eltern noch hier?“, fragte sie weiter.
„Nein. Die sind an meinem zwölften Geburtstag tödlich verunglückt.“
„Oh, wie schrecklich traurig für Sie!“, sagte Lyssa leise. „Und …“, sie zögerte kurz, aber ihre Wissbegier gewann die Oberhand, „bei wem haben Sie dann gelebt?“
„Mein Onkel und meine Tante haben mich bei sich aufgenommen.“
„Die, denen Amalfitori gehört?“, hakte sie nach.
„Ja.“
Sein knapper, sachlicher Ton verriet keine Gefühle.
Hatte er keine?
Oder konnte er sie nur gut verbergen?
„Sind Sie ein Einzelkind?“, forschte Lyssa weiter.
„Nein. Ich habe zwei Schwestern, die damals noch Babys waren. Sie waren auch bei meinem Onkel und meiner Tante und haben viel von deren Aufmerksamkeit beansprucht.“
„Haben Ihre Verwandten eigene Kinder?“ Auch auf die Gefahr hin, lästig zu wirken, wollte sie jetzt alles genau wissen.
„Ja, drei Söhne. Die waren aber zu der Zeit schon sechzehn, siebzehn und neunzehn.“
Da haben sie sich mit einem Zwölfjährigen bestimmt nicht viel abgegeben, dachte sie mitleidig. Ricardo war zwar in einer ziemlich großen Familie, aber trotzdem einsam aufgewachsen.
Als er sich umdrehte und ihr bedeutete, vorauszugehen, sah sie den Kummer in seinen dunklen Augen. Vor
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