Julia Extra Band 0313
E-Mails und Ähnlichem ablenken lassen wollte.
Sie hielt lieber ihre Eindrücke direkt vor Ort fest, solange sie noch ganz frisch waren.
Zu einem späteren Zeitpunkt versuchte sie dann, ihre Eindrücke und Empfindungen in die richtigen Worte zu fassen, um sie den Lesern zu vermitteln. Es war eine ziemlich altmodische Methode, aber sie funktionierte gut, und deshalb blieb sie dabei.
„Und wie lautet das Urteil?“, erkundigte Ricardo sich, während sie zur Straße fuhren. „Werden Sie einen positiven Artikel über mich als Reiseleiter schreiben?“
„Das müssen Sie abwarten“, erwiderte sie und lachte leise. „Es ist noch viel zu früh, um ein Urteil zu fällen. Sie könnten schließlich noch Patzer machen, Ricardo.“
Tatsächlich hielt sie viel von ersten Eindrücken und konnte sich schon nicht mehr vorstellen, dass er etwas tat, was ihre gute Meinung von ihm zunichtemachen würde. Trotzdem …
Unauffällig blickte sie zu ihm. Heute trug er Jeans und ein Polohemd, wahrscheinlich ein teures Designerstück, aber damit kannte sie sich nicht aus. Sie wusste nur, dass er umwerfend aussah!
Lyssa hatte gehofft, dass sich Ricardos Anziehungskraft buchstäblich über Nacht verflüchtigen würde. Leider war es nicht so, sondern sie war sich seiner maskulinen Ausstrahlung immer noch überdeutlich bewusst.
Ein Prickeln überlief sie, als sie seine schlanken und zugleich kräftigen Hände auf dem Lenkrad betrachtete und sich fragte, wie es sich anfühlen würde, die auf der Haut zu spüren …
Nein, aufhören!, ermahnte sie sich schnell. Diese Empfindungen passten so gar nicht in ihr Konzept.
Um sich abzulenken, fragte sie Ricardo alles Mögliche über die Gegend, durch die sie fuhren, und fühlte sich schon ganz wie eine Expertin, als sie nach Vietri sul Mare kamen, einem Ort, der berühmt war für seine Keramikmanufakturen.
Langsam schlenderten sie durch die malerischen Gassen der kleinen Stadt und bewunderten die Mosaiken, mit denen viele Hauswände verziert waren. Sogar die Kuppel der Hauptkirche des Orts war mit bunten, glasierten Dachziegeln gedeckt.
Obwohl Lyssa keineswegs shoppingsüchtig war, konnte sie schließlich nicht widerstehen und kaufte eine große bunte Platte.
„Wie soll ich die bloß nach Hause schaffen?“, fragte sie und lächelte reuig, als sie den Laden verließen.
„Keine Sorge, ich schicke sie Ihnen per Seefracht nach“, beruhigte Ricardo sie und nahm ihr das sperrige Paket ab. „Sie müssen mir nur Ihre Adresse geben. Wird die Schale denn in Ihre Wohnung passen?“
Nun musste sie an ihr kleines Apartment denken, das sie nahezu zwei Jahre mit Steve geteilt hatte. Womöglich würde sie sich die Miete dafür demnächst nicht mehr leisten können. Reiseautorin war kein idealer Beruf für eine Frau mit Baby.
Plötzlich war ihr ein bisschen elend zumute angesichts der unsicheren Zukunft, aber energisch schüttelte sie die bedrückenden Gedanken ab. Sie würde sich den schönen Tag nicht verderben lassen!
Bestimmt fand sie andere Themen, über die sie schreiben konnte – und wenn es Windelausschlag war.
Moment mal, das ist vielleicht keine schlechte Idee, sagte sie sich dann. Artikel über Freuden und Sorgen einer alleinerziehenden Mutter müssten eigentlich ein breites Interesse finden.
Aber darüber würde sie später nachdenken! Nun wollte sie lieber das Hier und Jetzt in vollen Zügen genießen. An der Seite von Ricardo … der ja noch immer auf ihre Antwort wartete!
„Diese Schale wird in meinem Apartment ganz großartig aussehen … und wenn ich es passend zur Schale neu einrichten muss“, erklärte sie. „Ich liebe dieses Stück.“
„Es passt ja auch ausgezeichnet zu Ihnen“, meinte Ricardo. „Weil es so bunt und fröhlich ist.“
„Oh!“ Ihr wurde ganz warm ums Herz. „Das ist das Netteste, was man mir seit Langem gesagt hat.“
Überrascht sah er sie an, und sie hatte das plötzlich das Gefühl, er könne ihr bis auf den Grund der Seele schauen – und dort den Kummer über Steves Verhalten entdecken. Und das durfte nicht sein!
Rasch wandte sie den Blick ab. „Wo ist denn nun das Mittagessen, das Sie mir versprochen haben, Ricardo?“
„Kommt sofort!“, erwiderte er im Ton eines beflissenen Kellners und zwinkerte ihr zu. „Ich bringe nur schnell das Paket ins Auto, einverstanden? Sie brauchen nicht mitzukommen.“
Sie sah ihm nach und seufzte leise. Seine Bewegungen waren fließend und elegant, eben die eines durchtrainierten Sportlers. Ja, sie fand
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