Julia Extra Band 0313
schmal wie Fjorde, reihten sich aneinander. Um eine größere zur rechten Seite gruppierten sich weiße Häuser, die wie Schwalbennester an dem steilen Hang zu kleben schienen, dominiert von der Kuppel einer mächtigen Kirche.
„Ist das Amalfi?“, fragte Lyssa, als Ricardo sich neben sie stellte.
„Ja.“
Sie breitete die Hände aus. „Ich kann fast nicht glauben, dass es alles echt ist.“
„Ich weiß, was Sie meinen“, sagte Ricardo leise. „So viel Schönheit ist Ehrfurcht gebietend.“
In freundschaftlichem Schweigen genossen sie den großartigen Anblick einige Minuten.
„Ich wollte vorschlagen“, begann Ricardo dann, „dass wir die nächsten Tage hier bleiben und das Hotel sozusagen zu unserem Basislager machen. Wenn Sie sich wohl genug fühlen, machen wir Ausflüge in die Umgebung, ansonsten können Sie in der Sonne liegen und sich entspannen. Es gibt auch einen Pool“, fügte er hinzu, als wäre noch ein besonderer Köder notwendig. „Was halten Sie von meinemVorschlag?“
Sie fand ihn perfekt, auch wenn sie sich jetzt wieder wohl genug fühlte, um weiter zu reisen. Aber hier an diesem paradiesischen Ort zu bleiben war natürlich noch viel schöner.
„Ich finde ihn großartig“, stimmte Lyssa begeistert zu und lächelte strahlend. „Die ganze Reise bisher war großartig.“
„Das höre ich gern.“ Er erwiderte ihr Lächeln und sah ihr dabei tief in die Augen. Plötzlich hatte sie das Gefühl, sie würde unter dem Blick der dunklen Augen schmelzen wie Schokolade in der Sonne.
Und das durfte nicht sein!
Mühsam wandte sie ihren Blick ab. Ich darf mir keine Dummheiten erlauben, ermahnte sie sich.
Sie wollte eine Weile ihre Probleme vergessen und sich keinesfalls neue einhandeln. Die würde sie aber bekommen, wenn sie sich womöglich in Ricardo verliebte, der von ihr bestimmt nichts wissen wollte.
Dann wäre sie nicht nur eine alleinerziehende Mutter, sondern eine mit gebrochenem Herzen. Die Trennung von Steve hatte ihr kaum Kummer bereitet, denn ihre Wut auf ihn hatte jegliches Bedauern über das Ende der Beziehung verdrängt.
Sie bedauerte höchstens, ihn nicht früher durchschaut zu haben!
„Möchten Sie einen Aperitif?“, erkundigte Ricardo sich und riss sie damit aus den trüben Gedanken.
„O ja, einen Fruchtsaft hätte ich jetzt wirklich gern.“
Kurz darauf saß Lyssa an einem der Tische draußen, trank gekühlten Orangensaft und genoss die herrliche Aussicht. Zum Glück hatte Ricardo eben nicht gemerkt, was in ihr vorging! So konnten sie die Reise in freundschaftlichem Einvernehmen fortsetzen.
Er streckte die Beine aus und zog sein Handy aus der Hosentasche. „Meine Schwestern haben mir vorhin ein Foto von sich geschickt. Möchten Sie es sehen, Lyssa?“
„Ja, gern!“
Sie nahm das Handy und betrachtete die beiden lächelnden Mädchen mit dem glatten schwarzen Haar und den dunklen Augen, die denen von Ricardo glichen. Die zwei Teenager sahen nicht nur sehr attraktiv aus, sondern sich zum Verwechseln ähnlich.
„Das sind ja Zwillinge“, sagte Lyssa überrascht.
„Ja. Hatte ich das nicht erwähnt?“
Nein, das hatte er vergessen zu erwähnen. Kein Wunder, dass seine Tante damals nicht viel Zeit für ihn hatte erübrigen können, wenn sie sich mit Zwillingen im Babyalter hatte befassen müssen.
„Die beiden sehen glücklich aus“, bemerkte Lyssa und reichte ihm das Handy zurück.
Er würde ja auch nichts tun, was jemanden unglücklich macht, schoss es ihr durch den Kopf – und sie fragte sich, woher dieser Gedanke gekommen war.
Sie war Ricardo doch am Vortag zum ersten Mal begegnet, auch wenn Sie das Gefühl hatte, ihn schon seit einer Ewigkeit zu kennen. Woher wollte sie wissen, was für ein Mensch er war?
Trotzdem war sie überzeugt, sich jetzt nicht in ihm zu täuschen …
„Und sie sind auffallend hübsch“, fügte Lyssa hinzu. „Kein Wunder, dass sie die beiden in ein Internat gesperrt haben.“
Er lachte über ihre drastische Formulierung. „Ja, aber nur noch ein Jahr, dann sind sie mit der Schule fertig. Und was mache ich dann mit ihnen?“
„Vielleicht überlassen Sie die Entscheidung einfach Ihren Schwestern?“, schlug Lyssa vor. „Die sind dann ja erwachsen.“
„Ja, aber trotzdem noch sehr jung und verletzlich.“ Ricardo seufzte leise. „Ich würde sie gern weiterhin beschützen.“
„Ricardo, wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert! Junge Frauen wollen nicht beschützt werden, sondern das Leben kennenlernen und sich
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