Julia Extra Band 0315
Gespräch endlich auf ungefährlicheres Gebiet zu lenken. „So schwer es auch für dich sein mag, Maeve, du musst dich gedulden. Peruzzi hat dringend davor gewarnt, dass du dich überforderst. Er wäre entsetzt, dass du an deinem ersten Tag aus dem Krankenhaus heraus bist und noch immer nicht schläfst.“
„Aber da ist doch noch so Vieles, das ich nicht weiß!“
Entschieden führte er sie ins Haus. „Und noch so viele Tage, um alles herauszufinden. Wir wollen keinen Rückfall riskieren.“
Offensichtlich hatte er das Zauberwort gefunden. „Himmel, nein!“ Sie erschauerte. „Das würde ich nicht durchstehen.“
„Dann wünsche ich dir jetzt eine gute Nacht.“ Er achtete auf genügend Abstand und küsste sie zart auf die Wange.
Doch plötzlich klammerte sie sich aufgewühlt an ihn. „Irgendwann werde ich mich an uns erinnern, nicht wahr?“
„Ja.“
„Versprochen?“
„Ich gebe dir mein Wort.“ Sanft machte er sich von ihr los. „Geh jetzt zu Bett. Wir sehen uns morgen früh.“
Sie träumte von zu Hause. Nur, dass es nicht mehr ihr Zuhause war. Jemand anders wohnte in ihrem Apartment, und sie stand am Grab ihrer Eltern, ihre gesamte Habe in Koffern und Kisten um sich herum.
„Ich gehe fort, für immer“, teilte sie ihren Eltern mit. „Ich werde euch immer im Herzen tragen.“
Die Blätter an den Bäumen raschelten. „Du darfst nicht gehen, du gehörst hierher.“
„Ich muss.“ Sie zeigte auf eine schemenhafte Gestalt in der Ferne. „Er braucht mich. Ich kann ihn rufen hören …“
„Nein.“ Die Äste bogen sich hinunter, wanden sich um sie, hielten sie gefangen. Die Blätter wollten sie ersticken …
Maeve schreckte aus dem Schlaf auf. Das Bettzeug hatte sich um sie gewickelt, sie war in Schweiß gebadet, und das Blut rauschte in ihren Ohren.
Die Sonne schien durchs Fenster. Verzweifelt versuchte sie an dem Traum festzuhalten. Sie war sicher, dass sie kurz davor gestanden hatte, sich zu erinnern. Doch die Wolken, die schon so lange ihr Gedächtnis umhüllten, bauschten sich wieder zusammen, verdeckten das Bild. Aber vielleicht morgen Nacht. Oder die Nacht danach …
Es klopfte an der Tür. Dario? Erwartungsvoll rappelte sie sich aus dem Bett auf und eilte in den Salon. „Moment!“, rief sie und fuhr sich mit den Fingern durch ihr Haar, auch wenn es nicht viel nützte.
Sie zog die Tür auf und stand nicht, wie erhofft, ihrem Mann gegenüber, sondern Antonia, die ein Tablett mit Kaffee und frischem Obst in den Händen hielt.
Die Haushälterin nickte mit einem freundlichen Lächeln und stellte das Tablett auf dem Tisch auf der Terrasse ab. Viel Englisch sprach sie nicht und ihr italienischer Dialekt war schwer verständlich, doch mit vielen Gesten vermittelte sie Maeve, dass der signore längst gefrühstückt habe und außer Haus sei, und dass er zum Lunch mit der signora zurückkehren würde.
Überrascht schaute Maeve auf die Messinguhr. Es war weit nach zehn. Da hatte sie den halben Vormittag schon verschlafen! Sie entließ die Haushälterin mit einem Dank und goss sich etwas Espresso in die Tasse, um sie dann mit der aufgeschäumten heißen Milch aus dem Kännchen aufzufüllen. Sie mochte sich nicht an das Luxusleben in dieser exklusiven Oase erinnern, aber sie wusste, dass sie keinen starken Kaffee mochte. Das Personal offensichtlich auch.
Das Koffein vertrieb die Reste des Schlafs und ließ sie von rastloser Energie erfüllt zurück. Die Kaffeetasse in der Hand, wanderte sie durch den eingeschlossenen Garten, steckte sich ab und an eine von den blauen Trauben oder eine Pfirsichscheibe in den Mund. Mit jedem Schritt tauchte eine neue Frage auf. Wohin war Dario gegangen? Was hatte ihr Traum zu bedeuten? Wieso verfolgten die Traumbilder sie noch immer? Was würde sie heute Neues erfahren? Wie lange noch, bevor sie sich erinnerte?
Die Sonne stach von einem wolkenlosen Himmel herab. Das Land, das sie am Horizont erkannte, musste Afrika sein. Linker- und rechterhand reckten sich mit Wein überwachsene Mauern empor, und direkt vor ihr, etwas tiefer gelegen, konnte sie den Swimmingpool einladend glitzern sehen.
Nun, warum sollte sie nicht schwimmen gehen? Das würde sie vielleicht von den quälenden Fragen ablenken. Und warum sollte sie einen Bikini anziehen, der ihr sowieso nur mit jeder Bewegung von der abgemagerten Figur rutschen würde? Sie war allein und von Mauern geschützt, niemand würde sie sehen.
Auf dem Servierwagen beim Haus fand sich ein Stapel mit
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