Julia Extra Band 0315
das geändert?“
„Woher willst du wissen, dass sich das geändert hat?“
„Das Mädchen, das du da beschreibst, hat nichts mit der Frau zu tun, die ich kenne.“
Nach außen hin vielleicht nicht. Aber es brauchte sie nur jemand an ihre alten Unsicherheiten zu erinnern, und schon wurde sie wieder zu dem linkischen jungen Mädchen.
„Maeve, was hat den Ausschlag gegeben?“, hakte er leise nach, als sie nicht antwortete.
Sie erinnerte sich daran, als wäre es gestern gewesen. „In meinem letzten Jahr rief mich die Direktorin bei der Schulversammlung aufs Podium und forderte alle Schülerinnen auf, einen genauen Blick auf Maeve Montgomery zu werfen. Erst dachte ich, ich hätte irgendeine Regel gebrochen und würde jetzt an den Pranger gestellt. Ich kam schier um vor Angst. Um es mir nicht anmerken zu lassen, stand ich gerade wie ein Stock und starrte über die Köpfe im Saal hinweg, ohne auch nur zu blinzeln. Doch stattdessen setzte sie zu einer Lobrede an. Jede Schulabgängerin solle sich ein Beispiel an mir nehmen. Wenn eine ihrer Schülerinnen über die Straße ging oder an einer Bushaltestelle stand, dann wollte sie bei ihr die gleiche Haltung und Würde sehen.“
„Ich verstehe. Die Außenseiterin passte also doch ins Bild, und sogar sehr gut.“
„Vermutlich. Ich war sicher nicht das glänzende Vorbild, zu dem sie mich machte, aber ihr Lob gab mir erheblichen Auftrieb. Die älteren Jahrgänge betrachteten mich von da an mit einem ganz besonderen Respekt und die jüngeren geradezu mit Ehrfurcht.“
„Wichtig ist doch, wie hast du dich selbst gesehen, cara ?“
„Mit anderen Augen.“ In jener Nacht hatte sie sich vor den Spiegel gestellt, etwas, das sie sonst immer vermieden hatte, und sah nicht mehr den schlaksigen Teenager, sondern eine Fremde mit langen Beinen, sanften Kurven, makellosen Zähnen und leuchtend blauen Augen.
Doch das sagte sie nicht laut, das hätte eingebildet geklungen. „Ich schwor mir, mich nie wieder für mich selbst zu schämen, sondern mich der Welt zu stellen und die Ideale zu ehren, die meine Eltern mir vermittelt hatten – Ehrlichkeit, Treue, Anständigkeit.“
„Nur halten nicht alle Menschen sich an ihre Schwüre.“
Sein bitterer Ton schockierte sie. „Ich maße mir nicht an, für andere zu sprechen, Dario, aber ich kann überzeugt sagen, dass ich immer mein Bestes gegeben habe, mich an meine Versprechen zu halten.“
Einen Moment lang starrte er sie mit steinerner Miene an, und als er sprach, klang seine Stimme so kalt wie die blitzenden Sterne am Himmel. „Sicher, Liebes. Es ist eine so schöne Nacht, dass ich das Dinner auf die Terrasse bestellt habe. Ich hoffe, es ist dir recht.“
„Natürlich. Aber ich mag es nicht, dass du so abrupt das Thema wechselst.“
Er zuckte nur gleichgültig mit einer Schulter. Doch das würde sie nicht durchgehen lassen. Sie war lange genug bei Schwestern und Ärzten gegen die Mauer des Schweigens angerannt. Von dem Mann, der behauptete, ihr Ehemann zu sein, würde sie das nicht hinnehmen.
„Ignorier mich nicht, Dario. Du hast angedeutet, dass ich lüge. Ich will wissen, wieso. Was habe ich getan, dass du mir nicht glaubst?“
Bevor er etwas erwidern konnte, kam die Haushälterin, um Bescheid zu geben, dass das Dinner serviert sei. Dario führte Maeve zum anderen Ende der Terrasse, wo unter einem Dachvorsprung ein Tisch mit Silber und Kristall gedeckt war. Kerzen schwammen in Schalen und sandten flackernde Schatten. Musik erklang leise aus verborgenen Lautsprechern. Der Duft der Nachtblüher hing in der Luft. Es war eine märchenhafte Szenerie, doch durch den Wortwechsel war die Atmosphäre noch immer angespannt.
Antonia trug das Essen auf, blieb aber in Hörweite stehen, was nur leichte Konversation möglich machte. Doch schließlich war das Essen vorbei, das Geschirr abgetragen und Antonia wieder im Haus.
Maeve fiel Dario ins Wort, der gerade die therapeutischen Vorzüge der heißen Quellen auf der Insel in den höchsten Tönen lobte. „Also, wir sind wieder allein. Du kannst jetzt aufhören, den Fremdenführer zu spielen. Bitte beantworte mir die Frage, die ich stellte, bevor wir unterbrochen wurden. Und sag nicht, ich solle es vergessen. Ich habe genug davon, dass die Leute nicht offen zu mir sind.“
„Es war nur eine Anmerkung.“ Der Wein in seinem Glas schien plötzlich interessanter zu sein als ihr Gesicht. „Ich habe zu viele Geschäftsleute getroffen, deren Handschlag nichts wert ist. Das hat mich
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