Julia Extra Band 0315
ein wenig verbittert gemacht, fürchte ich.“
„Das ist schade.“
„Das ist es.“ Endlich schaute er sie an. „Ich entschuldige mich, Maeve, wenn ich dich beleidigt haben sollte. Das war nicht meine Absicht. Ich könnte durchaus verstehen, wenn du mir unter dem Tisch vors Schienbein treten würdest.“
Sein Lächeln kam zurück, so überwältigend wie zuvor. Sie genoss die Wärme, die es in ihr auslöste. „Ich vergebe dir … unter einer Bedingung. Bisher habe ich die meiste Zeit geredet, aber ich möchte mehr über dich erfahren.“
„Einverstanden.“
„Und ich würde gern einen kleinen Spaziergang machen, während ich dich ausfrage.“
„Bist du sicher, dass du Kraft dafür hast? Du bist gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen worden.“
„Solange ich nicht über die Klippen klettern oder einen Marathonlauf absolvieren muss, werde ich es schon schaffen.“
„Dann lass uns gehen.“
Er führte sie einen gepflasterten Pfad entlang, der sich durch mehrere voneinander abgetrennte Gärten wand.
„Wieso sind diese Gärten eingeschlossen?“ Sie fand die hohen Mauern beengend.
„Als Schutz vor dem Wind. Diese Zitronenbäume, zum Beispiel, würden den scirocco niemals überstehen.“
Vermutlich hatte sie das einmal gewusst, so wie auch die anderen tausend kleinen Details, die das Leben hier auf der Insel ausmachten. Das konnte vorerst warten. Zuerst musste sie den großen Rahmen für ihre Situation abstecken. „Ich sehe schon, ich habe viel zu lernen.“
„ D’accordo , dann lass uns anfangen. Wo soll ich beginnen?“
„Mit deiner Familie. Schließlich ist sie ja durch unsere Heirat auch meine Familie. Kommen sie manchmal her?“
„Ja.“
„Sind sie jetzt hier?“
„Ja.“
„Ich habe niemanden gesehen.“
„Sie leben auch nicht in meinem dammuso .“
„Dammuso?“
Sein Grinsen war selbst im Dunkeln zu erkennen. „Das Wort stammt aus dem Arabischen und bedeutet so viel wie Haus – oder genauer: ‚höhlenartige Konstruktion‘. Die Gebäude und die Baumethode sind auf ganz Pantelleria die gleichen.“
Nicht ganz, dachte sie. Die Häuser hier mochten alle Bogenfenster haben und Kuppeldächer, aber die meisten waren Welten entfernt von der luxuriösen Villa, in der er lebte. „Wo wohnen sie dann?“, fragte sie.
„Wir sind alle Nachbarn. Meine Schwester wohnt gleich nebenan, und meine Eltern neben ihr.“
„Und wenn ihr nicht auf der Insel seid?“
„Dann ist Mailand unser Wohn- und Firmenhauptsitz. Aber dort wohnen wir nicht so eng beieinander. Du und ich haben ein Penthouse, wie auch meine Eltern. Und meine Schwester lebt mit ihrem Mann in einer Villa am Stadtrand.“
„Du hast keine anderen Geschwister? Nur die eine Schwester?“
„Richtig.“
„Hat sie Kinder?“
„Ja. Aber ich möchte dich noch nicht mit Namen und Zahlen überlasten.“
„Einverstanden. Dann erzähle mir von diesem Firmenhauptsitz. Um was für ein Unternehmen handelt es sich genau?“
„Ein Familienbetrieb, von meinem Großvater in den Zwanzigerjahren gegründet. Nach dem Krieg wollte er es armen und verwaisten Kindern ermöglichen, auch die schönen Seiten des Lebens zu sehen und Ferien zu verbringen. Er hat klein hier in Italien angefangen, hat verwahrlostes Land günstig aufgekauft und Erholungsparks darauf gebaut. Um diese Ferienorte für Kinder aus armen Familien weiterhin verwirklichen zu können, hat er seine unternehmerischen Fähigkeiten dann auf lukrativere Projekte gerichtet und Golf-, Ski- und Strandressorts entwickelt. Ein Teil des Gewinns nutzte er für die von ihm gegründete Stiftung.“
„Er scheint ein sehr netter Mann gewesen zu sein. Ich wünschte, ich hätte ihn kennengelernt.“
„Ja, von dem, was erzählt wird, muss er ein feiner Mensch gewesen sein. Er starb in den frühen Sechzigerjahren. Heute ist CIR Internazionali ein überall auf der Welt bekannter Name und unterstützt inzwischen mehrere Kinderhilfsorganisationen.“
„Wo passt du ins Bild?“
„Ich bin Senior Vizepräsident neben meinem Vater, Firmenvorstand und CEO. Ich leite die europäischen und nordamerikanischen Operationen.“
„Also habe ich einen Wirtschaftsgiganten geheiratet.“
„Sieht so aus.“ Sie waren inzwischen bei der Steintreppe angekommen, die sie zu der dem Meer zugewandten Hausseite bringen würde. „Vorsicht, die Stufen sind ein wenig uneben“, warnte er und nahm ihre Hand.
Dieses Mal ließ er ihre Finger nicht bei der ersten Gelegenheit los. Das Schimmern der Lampen
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