Julia Extra Band 0316
dann sein Gespräch.
Während der ganzen Zeit musterte er Romy eindringlich, und Romy war sich dessen nur allzu bewusst. Sein dichtes schwarzes Haar, ein kleines Stück zu lang, verlieh ihm einen Anflug gezügelter Verwegenheit … urwüchsig und primitiv. Romys Blick fiel auf seinen unglaublich sinnlichen Mund, und sie musste daran denken, wie dieser Mund ihr damals jeglichen vernünftigen Gedanken geraubt hatte.
Ob er überhaupt ahnte, wie schwer es ihr fiel, ihm nun gegenüberzutreten? Oder dass sie bis zum heutigen Tag alles getan hatte, um einem Treffen aus dem Weg zu gehen?
„Ich glaube nicht, dass Sie einen Termin haben.“
Romys Augen funkelten bei seiner Zurechtweisung, und sie hob ein wenig das Kinn.
„Es ist auch schwierig, einen Termin zu bekommen, da Ihre persönliche Assistentin sich weigert, mir einen zu geben.“
„Auf meine Anweisung.“
Sie legte den Kopf schräg. „Natürlich.“
„Es gibt nichts, was wir zu besprechen hätten.“
„Doch.“ Eindringlich sah sie ihn an. „Hier und jetzt … oder bei Ihnen zu Hause.“ Sie wartete einen Herzschlag lang. „Sie können es sich aussuchen.“
Ein Teil von ihm bewunderte ihre Hartnäckigkeit und ihren Mut.
Zwei Sicherheitsbeamte warteten draußen vor der Tür auf seine Anweisung, sie aus dem Gebäude zu entfernen. Er musste nur telefonisch Bescheid geben.
Doch er tat nichts dergleichen.
Stattdessen musterte er ihre zierliche Gestalt, während sie ihn weiter aus ihren verwirrend blauen Augen mit kalter Entschlossenheit ansah.
Über einem schwarzen Polotop trug sie ein modisches graues Kostüm, das ihre schlanke Figur noch unterstrich. Dünne schwarze Strümpfe umschmeichelten ihre Beine, und die weichen Lederstiefel mit den hohen Absätzen verliehen ihr ein wenig mehr Größe.
Die junge Frau, die ihm gegenüberstand, war das genaue Gegenteil der recht naiven Unschuld, an die er sich erinnerte. Eine natürliche Stärke ging von ihr aus, und widerstrebend musste er einräumen, dass er sie für ihre Entschlossenheit und den Anflug von Trotz bewunderte.
Und das brachte ihn zu der Frage, was sie ihm wohl anbieten mochte, in dem vergeblichen Versuch, ihren Vater zu retten. Die ihm allzu bekannte Waffe der Frau … ihren Körper?
Etwas rührte sich tief in ihm. Eine angenehme Erinnerung an ein unschuldiges Wunder und ungehemmte Freude, ihre Großzügigkeit und die süße Leidenschaft ihrer Lippen. Sie hatte sich ihm aus freien Stücken hingegeben, nicht aus Berechnung.
Verdammt, er war seiner derzeitigen Gespielinnen und ihrer vorhersehbaren Vorgehensweise überdrüssig. Ihren verlogenen Schmeicheleien, nur um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Ein Spiel, so alt wie die Welt.
Romy Picard hingegen könnte sich als erfrischend interessante Abwechslung erweisen. Er hatte ihr jeden Weg versperrt, mit ihm in Kontakt zu treten. Und doch hatte sie sich nicht beirren lassen, sodass er ihr auch Beifall zollte für diese Beharrlichkeit.
Kurz entschlossen griff er zum Telefon und gab seiner persönlichen Assistentin Anweisung, sich um Romy Picard zu kümmern, bis die Sitzung beendet war.
Während der ganzen Zeit ließ er sie nicht aus den Augen, und auch sie weigerte sich, zur Seite zu sehen. Stattdessen legte sie nur ein wenig den Kopf schräg, ehe sie sich umdrehte und den Raum verließ.
Erst als sie in den Tiefen des bequemen Ledersessels versank, legte sie ihre kühle, gefasste Fassade wieder ab, blätterte in einer der Zeitschriften und gab vor, sich besonders für den Börsenbericht zu interessieren.
Eigentlich hätte sie begeistert sein müssen, dass es ihr gelungen war, einen Termin bei Xavier DeVasquez zu ergattern. Stattdessen verspürte sie Angst, und ein Gefühl der Bedrohung.
Einfach lächerlich, wie sie sich einredete. Hatte sie doch sonst mit rebellischen jungen Leuten zu tun, die nichts unversucht ließen, die Autorität ihrer Lehrerin zu untergraben. Doch sie hatte in einem harten Kampf das Unmögliche erreicht, gegenseitigen Respekt.
Ob sie jedoch erwarten konnte, eine Art Gnadenfrist für ihren Vater zu erlangen, war eine andere Sache … trotzdem musste sie es versuchen.
Romy legte die Zeitschrift zurück und nahm eine andere zur Hand. Wie lange würde es wohl noch dauern, bis Xavier die Sitzung beendete?
Ein hohles Lachen erstarb in ihrer Kehle. Fünf Minuten oder eine Stunde, was machte das schon für einen Unterschied?
Eine halbe Stunde später verließen vier Männer das Konferenzzimmer.
Im nächsten Moment
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