Julia Extra Band 0318
‚getan‘.“
Das stimmte, aber Ben glaubte nicht, dass es damit erledigt war. Jetzt war sein Verlangen erst recht geweckt. Ihre Lippen waren nun noch begehrlicher für ihn, nicht weniger.
Sie näherte sich ihm erneut. Ben hielt den Atem an. Wenn sie ihn jetzt ein zweites Mal küsste, würde er keine Verantwortung für das übernehmen, was dann passierte. Wusste sie denn gar nichts über Männer?
Aber dann schnappte Beth sich blitzschnell das Blatt mit dem Rätsel, das er immer noch in der Hand hielt und völlig vergessen hatte. Sie kicherte vergnügt. Vielleicht wusste sie doch mehr über Männer, als er dachte. Jedenfalls hatte sie ihn gerade eiskalt ausgetrickst.
„Gute Nacht, Ben“, sagte sie mit sanfter Stimme.
Nachdenklich fuhr er nach Hause. Ihn plagte der Gedanke, dass sie ihn womöglich nur geküsst hatte, um an das verflixte Rätsel zu kommen. Auch zu Hause ließ ihn der Gedanke nicht los.
Dann kam Kyle zurück. Er strahlte vor Glück. Atemlos fragte er: „Onkel Ben, wenn ein Mädchen dich küsst, heißt das doch, dass sie dich sehr, sehr gern hat, oder?“
Ben dachte kurz darüber nach. Dann antwortete er: „Ja, natürlich.“ Entweder das, oder sie will etwas haben, was du hast, zum Beispiel ein Kreuzworträtsel.
6. KAPITEL
Ich habe tatsächlich Ben Anderson geküsst, dachte Beth, als sie die Reste der Pizza in den Kühlschrank stellte. Nein, nicht nur einfach geküsst. Sie hatte die Initiative ergriffen!
Und was sollte das, fragte sie sich selbstkritisch. Nun ja, er hatte sie dazu ermutigt und sie aufgefordert, etwas zu wagen.
Du hast dich ihm wie ein kleines Flittchen an den Hals geworfen, tadelte sie sich. Aber dann musste sie lachen. Flittchen? Heutzutage galt eine Frau, die von sich aus einen Mann küsste, wohl kaum mehr als Flittchen.
Sie war eine fünfundzwanzigjährige Frau, die es gewagt hatte, einem äußerst attraktiven Mann einen Kuss zu geben. Und sie war froh, dass sie es getan hatte! Keine Spur von Reue plagte ihr Gewissen. Im Gegenteil, sie war sogar ein bisschen stolz auf sich.
In Bens Gegenwart wünschte sie sich, ein anderer Mensch zu sein. Jemand, der nicht so zurückhaltend war, so schüchtern und ängstlich. Kein Mensch, der sich vor dem Leben versteckte. Sie wollte Fantasiewörter ins Kreuzworträtsel schreiben. Weil es so viel lustiger war als mit den richtigen Antworten.
Wie einen kostbaren Schatz nahm sie das hart erkämpfte zerknitterte Rätsel in die Hand, strich es glatt und heftete es mit einem Magneten an die Kühlschranktür.
Die neue Beth würde Regeln brechen. Die neue Beth würde nicht darauf warten, dass ein Mann sie küsste – sie würde ihn küssen, wenn sie dazu Lust hatte.
Beim Gedanken an die Berührung von Bens Lippen durchfuhr sie ein Zittern reinster Lust. Seine Lippen hatten noch viel besser geschmeckt, als sie es sich vorher ausgemalt hatte.
Als sie ihn geküsst hatte, hatte es sich angefühlt, als würde die hohe Schutzmauer um ihr kleines sicheres Leben zu Staub zerfallen. Etwas in ihr war befreit worden, und sie würde es nicht wieder einfangen.
Die alte Beth hätte sich Sorgen gemacht, ob das nächste Wiedersehen mit Ben peinlich werden würde. Die neue Beth hingegen konnte es gar nicht abwarten!
Sie fühlte sich so frisch und lebendig, als wäre sie soeben aus einem langen Schlaf erwacht. Einem Schlaf, in dem sie seit dem Fiasko mit Rock alias Ralph gefangen gewesen war. Damals war sie so verletzt gewesen, dass sie sich völlig zurückgezogen hatte, um ihre Wunden zu lecken. Sie war überzeugt gewesen, dass es für immer sein würde.
Doch dann war plötzlich Kyle in ihrem Leben erschienen und mit ihm sein Onkel und schließlich das Baumhaus in ihrem Garten. Die Ereignisse der letzten Wochen schienen ihr förmlich zuzurufen: „Genieße! Lebe!“
Leben – ja, sie wollte leben! Auch wenn sie Angst davor hatte. Trotzdem musste sie sich auf das wundervolle Abenteuer des Lebens einlassen. Und Beth wollte nicht einfach nur leben, sondern nach Bens Credo leben: Wagen, um zu gewinnen!
Am Sonntagmorgen hielt Bens Pick-up vor dem Haus. Beth stand gerade am Fenster und beobachtete, wie Ben ausstieg und kurz in Richtung Haus blickte. Lag da ein Anflug von Unsicherheit und Verlegenheit in seinem Gesicht?
Das war gut. Sie vermutete, dass es bislang immer ausnahmslos er gewesen war, der in seinen Beziehungen den Ton angegeben hatte. Aber nicht mit ihr. Ben Anderson, sagte sie zu sich selbst, dieses Mal stehst du einer ebenbürtigen
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