Julia Extra Band 0319
genießen.
Aber nur fast – denn der Gedanke daran, wie dieser Abend enden mochte, ließ sie nicht los.
Es war ein Rendezvous.
Keineswegs hatte er sie nur aus Höflichkeit eingeladen.
„Manche Dinge werden Ihnen am Anfang in Zaraqua seltsam vorkommen“, warnte Karim sie, nachdem er sie über ihre bisherige Arbeit ausgefragt hatte und sie ihm erklärte, dass sie eine Verfechterin der natürlichen Geburt sei. „Unsere Klinik hat eine hochmoderne Ausstattung, und wir nutzen sie auch.“
„Darüber habe ich schon nachgedacht“, entgegnete Felicity. „Die kleine Privatklinik, in der ich zurzeit arbeite, hat kaum Risikogeburten. Es kann nicht schaden, wenn ich neue Erfahrungen sammle.“
„Sie sind sehr offen“, meinte Karim anerkennend.
„Ich will meinen Job als Hebamme gut machen. Dazu gehört, möglichst viel zu wissen.“
„Haben Sie Ihrer Mutter erzählt, dass Sie hier übernachten?“, wechselte er das Thema.
„Nein“, gab Felicity zu. „Sie weiß nur, dass ich ein Zimmer gefunden habe. Mum hätte sich geängstigt, wenn sie von dem Unfall erfahren hätte“, fügte sie erklärend hinzu, als sie seinen fragenden Blick bemerkte.
„Es muss schwierig sein, wenn die Eltern sich so schnell Sorgen machen.“
„Das stimmt“, gab sie seufzend zu. „Ich bin mir nicht sicher, ob es richtig ist, ins Ausland zu gehen.“ Sie sah ihn an. „Meiner Schwester ging es einige Jahre gesundheitlich schlecht. Ihre Behandlung war sehr kostspielig. Zum Glück kann ich meine Eltern in dieser Hinsicht unterstützen. Nur …“ Sie zögerte. Noch nie hatte sie mit jemandem über die Furcht gesprochen, wie ihre Schwester auf ihren Umzug reagieren könnte.
„Nur …?“, wiederholte Karim.
„Ich weiß nicht, wie sie damit umgehen werden, wenn ich fortziehe.“ Sie schluckte. Es fiel ihr schwer, ihre Ängste in Worte zu fassen. „Georgie, meine Schwester, leidet unter Essstörungen. Im Moment geht es ihr gut, aber ich befürchte, sie wird einen Rückfall bekommen, wenn ich nicht mehr da bin. Andererseits habe ich keine Wahl.“
„Ihre Schwester ist eine erwachsene Frau“, erwiderte Karim mit ruhiger Stimme. „Sie können nicht ein Leben lang für sie verantwortlich sein.“
Der Kellner brachte die Nachspeise, eine lockere weiße Mousse mit heißer Johannisbeersauce, und gab Felicity Zeit, ihre Antwort zu überlegen. Einerseits hatte Karim recht, andererseits machte er es sich zu einfach.
„Sie verstehen nicht …“
„O doch, ganz sicher tue ich das“, unterbrach er sie. „Ich weiß, wie schwierig es ist, wenn die Familie bestimmte Dinge von jemandem erwartet. Ich weiß, wie es ist, immer stark sein zu müssen.“
Ohne seine Worte weiter zu erklären, widmete er sich der Käseauswahl, die er statt einer süßen Nachspeise gewählt hatte. Mit einem kurzen Blick auf ihre leere Dessertschale schob er den Käse in die Mitte des Tisches und bedeutete ihr mit einer Handbewegung, sich zu bedienen. Felicity lächelte und griff zu.
„Was ist mit Ihrem Vater?“, wollte Karim wissen.
„Er ist vor ein paar Jahren gestorben.“
„Das tut mir leid. Es war sicherlich ein harter Schlag für die Familie.“
Sie sah ihn lange ab, blickte in die dunklen Augen, die ihr Vertrauen einflößten. Anstatt einfach zu nicken, entschied sie sich für die Wahrheit.
„Das muss Ihnen nicht leidtun. Er war Alkoholiker und wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hatte, wenn er nicht aufhörte zu trinken. Was ist mit Ihrer Familie?“
Er zuckte kurz die Schultern. „Da gibt es nicht viel zu erzählen.“
Mit seiner Messerspitze spießte er ein Stück Käse auf, strich süßen Feigensenf darauf und reichte es ihr über den Tisch. Dann nahm er sich selbst ein Stück.
Diese Geste war ungewöhnlich für ihn, denn normalerweise teilte Karim nie – er war großzügig und machte gern Geschenke, doch was sein war, blieb sein.
Heute Abend war es anders.
„Ich habe zwei Brüder. Meine Mutter lebt hier in London, mein Vater auf Zaraq.“
„Ihre Eltern sind geschieden?“ Kaum merklich hatte sich sein Gesicht verdüstert, und sie wusste, dass sie etwas Falsches gesagt hatte.
„Auf Zaraq gibt es keine Scheidungen. Meine Mutter lebt zwar in England, aber sie hat meinem Vater vier Söhne geschenkt, und deshalb verdient sie Respekt und Achtung. Er unterstützt sie selbstverständlich.“
Felicity war irritiert. Diese Sichtweise war ihr vollkommen fremd. Aber noch etwas anderes war seltsam.
„Vier Söhne? Eben erwähnten
Weitere Kostenlose Bücher