Julia Extra Band 0319
getaucht, als Felicity frisch und ausgeruht erwachte und sich wohlig streckte. Einen Augenblick fühlte sie einen tiefen Frieden – nicht den Hauch des Bedauerns über das, was geschehen war.
Karim stand am Fenster und starrte auf die Straße. Eine bange Vorahnung überkam sie.
„Karim?“
Sofort wandte er sich zu ihr um, schenkte ihr ein gequältes Lächeln und setzte sich auf die Bettkante.
„Du hast so friedlich geschlafen, dass ich dich nicht stören wollte.“
„Ist etwas passiert?“ Irgendetwas stand plötzlich zwischen ihnen. Sie waren sich so nahe gekommen heute, denn sie hatten nicht nur das Bett geteilt, sondern auch lange über persönliche Dinge gesprochen. Felicity hatte Karim von ihrer Familie erzählt, ihrer Arbeit und den Freunden. Stück für Stück hatte sie sich ihm offenbart. Doch jetzt, als sie in sein sorgenvolles Gesicht sah, wurde ihr bewusst, dass er sich ihr nicht im gleichen Maße geöffnet hatte.
„Mein Vater ist krank“, erklärte er.
„Ist es sehr schlimm?“, erkundigte sie sich.
„Es geht ihm seit einiger Zeit ziemlich schlecht, und jetzt habe ich erfahren, dass er im Krankenhaus liegt. Ich muss noch heute nach Zaraq zurück.“ In seinen Augen standen Schmerz und Sorge.
Keinen Moment zweifelte Felicity daran, dass er die Wahrheit sagte. Tröstend schloss sie ihn in die Arme, doch er blieb unnahbar. Schließlich straffte er die Schultern, und als er sprach, klang seine Stimme unpersönlich und entschlossen.
„Ich weiß nicht, wann ich zurückkommen werde.“
„Rufst du mich an?“ Am liebsten hätte sie sich die Zunge abgebissen. Sie wollte ihn nicht bedrängen – aber sie brauchte ihn.
„Es kommt auch für mich völlig überraschend, dass ich abreisen muss. Felicity …“
Der Abschied fiel ihm schwer – die ganze Situation war schwierig für ihn. Stumm blickte er sie an. Am liebsten hätte er sie mitgenommen, wunderschön und verschlafen, wie sie aussah. Doch das war nicht möglich. Schließlich wusste sie nicht einmal, wer er war – und er wollte sie nicht in seine Probleme hineinziehen. Sie war eine Frau, die Romantik liebte und zärtliche Gesten. Eine Geliebte, der man riesige Rosensträuße schenkte und irgendwann einen Verlobungsring. Er konnte und wollte ihre Erwartungen nicht erfüllen. „Vermutlich wartet eine Menge Arbeit auf mich. Die Situation ist sehr schwierig.“
„Das war’s dann also mit uns?“
Er erkannte den Schmerz und die Verzweiflung in ihren Augen, und doch bewunderte er sie für die Würde, mit der sie jetzt aufstand und sich anzog. Aber er entdeckte noch etwas anderes – seit heute Morgen war sie erwachsen geworden. Vor ihm stand eine stolze, selbstbewusste Frau, und Karim ahnte, wie wichtig dieser Tag für ihr weiteres Leben war.
Auch Felicity war es bewusst. O ja, sie war verletzt und bitter enttäuscht, aber gleichzeitig fühlte sie sich stark. Natürlich musste Karim jetzt bei seinem Vater sein. Und selbstverständlich wären sie niemals …
Doch anstatt einfach zu gehen, trat sie auf Karim zu, um den Augenblick des Abschieds noch hinauszuzögern. Er hielt sie, als wolle er sie niemals wieder loslassen. Ein unwiederbringliches Erlebnis ging viel zu abrupt zu Ende, das spürten sie beide.
„Ich werde dir ein Taxi rufen lassen.“
„Karim, ich wohne meilenweit entfernt von London.“
„Du erreichst deinen Zug nicht mehr.“ Ehe sie protestieren konnte, klingelte sein Telefon. Er meldete sich, sprach kurz in den Apparat und wandte sich ihr wieder zu.
„Mein Flugzeug steht bereit.“
„ Dein Flugzeug?“
Stumm schalt er sich einen Narren. Warum musste er sie noch mehr verwirren als unbedingt nötig?
„Entschuldige, mein Englisch ist manchmal nicht ganz perfekt. Ich meinte, mein Ticket wurde gerade bestätigt. In einer halben Stunde muss ich am Flughafen sein.“
Er wollte sie nicht verlassen. Sie erkannte es an seinen atemlosen Küssen und dem harten, verzweifelten Sex, der seinen Liebkosungen folgte. Und auch als er sie an die Rezeption begleitete und mit ihr gemeinsam auf das Taxi wartete, spürte sie, wie schwer ihm die Trennung fiel.
Der Heimweg zog sich endlos, doch Felicity war froh darüber. Sie musste erst einmal einen klaren Kopf bekommen nach den Ereignissen der vergangenen vierundzwanzig Stunden, ehe sie ihrer Familie gegenübertrat.
Dieser Mann, dessen Nachnamen sie nicht einmal kannte, hatte ihr ganzes Leben verändert.
Die Geschichte musste sich für jeden Außenstehenden billig und verdorben
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