Julia Extra Band 0319
Neffen, der in seinen Armen gestorben war. Hoffentlich blieb Bedra dieses Leid erspart.
Dann fiel sein Blick auf Felicity, die sich mit dem Kinderarzt austauschte und sorgenvoll auf das Neugeborene blickte. Und plötzlich war ihm klar, dass es sie umbringen würde, wenn er von ihr verlangte, ihr Kind fortzugeben.
Doch im nächsten Moment straffte er sich und wischte seine Bedenken beiseite. Hier war kein Platz für Gefühle. Sie würde sich seinem Befehl beugen.
Nachdem Bedra und ihr Baby im Rettungshubschrauber untergebracht waren, hatte Felicity einen kurzen Moment, um mit Helen zu sprechen. „Ich kann dir jetzt nichts erklären“, wisperte sie. „Aber ich werde mich sobald wie möglich bei dir melden.“
Dann drehten sich die Rotoren mit ohrenbetäubendem Lärm, und Helen musste einsteigen.
Wenn Felicity gehofft hatte, das Erlebnis habe Karim und sie einander näher gebracht, wurde sie enttäuscht.
Wortlos hatte er sich ein Bad eingelassen – zum ersten Mal in seinem Leben musste er dies selbst tun – und war danach schlafen gegangen.
Leise sprach sie ihn an, als sie ins Schlafzimmer trat. „Karim?“ Sanft berührte sie ihn an der Schulter. „Du warst wunderbar heute Abend.“
Ein leises Schnarchen war die einzige Antwort.
Verletzt drehte Felicity sich um. Denn eines wusste sie genau: Karim schnarchte nicht. Dieses alberne Theaterspiel war schmerzhafter, als wenn er sie gebeten hätte, ihn in Ruhe zu lassen.
Grimmig beschloss sie, sich von seinem Schweigen in den folgenden Tagen nicht einschüchtern zu lassen. Scheinbar unbekümmert redete sie – allerdings meistens zu sich selbst.
Als sie sich an einem scharfkantigen Papier geschnitten hatte, stand sie auf, um ein Pflaster zu suchen.
„Ich glaube, im Auto sind Pflaster“, überlegte sie laut.
Karim, der auf einem bequemen Bodenkissen saß und ein Buch las, reagierte nicht.
„Bemüh dich nicht, Liebling. Ich gehe schon selbst“, sagte sie und glaubte den Anflug eines Lächelns auf seinem Gesicht zu sehen.
Als sie an ihm vorbeigehen wollte, hielt er ihr Fußgelenk fest. Sein Lächeln erschien ihr heller als die gleißende Sonne draußen.
„Du schwatzt zu viel.“ Noch immer hielt er ihr Bein umfasst.
„O nein, du erzählst zu wenig.“
„Setz dich.“ Nachdrücklich zog er ein zweites Kissen heran, doch sie ging unbeirrt weiter. „Felicity“, rief er sie zurück. „Setz dich zu mir und lass uns reden.“
Befangen nahm sie neben ihm Platz. Worüber sollten sie sprechen? Es gab zu viele heikle Themen, die sie lieber aussparen wollte.
Doch er nahm ihr die Angst, indem er sie nach ihrer Arbeit fragte.
„Ich wollte schon immer Hebamme werden“, erzählte sie. „Schwangere Frauen empfinde ich als unglaublich schön, und neugeborene Babys sind einfach ein Wunder.“
Doch schon betrat sie vermintes Gebiet. Sie konnte nicht einfach mit ihm über Babys plaudern, während er sein eigenes Kind nicht anerkennen wollte.
Nach einer kurzen, beklemmenden Pause begann Karim, zum ersten Mal von sich selbst zu erzählen. So erfuhr Felicity, dass er in der Wüste immer wieder Notfälle behandelte – Menschen, für die der Weg nach Zaraqua zu weit war und die eine medizinische Versorgung nicht bezahlen konnten.
„Du praktizierst hier draußen?“, wiederholte sie ungläubig.
„Mit Bedras Hilfe. Sie hat mittlerweile viel Erfahrung. Du weißt, dass ich nicht mehr im Krankenhaus praktizieren kann. Aber ich bin Arzt, und ich will Menschen helfen. Deshalb tue ich es hier.“
„Aber du bist Chirurg, und zwar ein sehr guter“, wandte sie ein. Doch ein Blick in seine Augen ließ sie verstummen. Vielleicht sollte sie sich einfach seine Sicht der Dinge anhören, beschloss sie.
„Man empfindet es nicht als angemessen, dass der Prinz von Zaraq in der Klinik arbeitet. Ich habe mich mittlerweile damit abgefunden.“ Trotzdem schwang Trauer in seiner Stimme mit, als er fortfuhr: „Aber ich vermisse meinen Beruf. Und hier in der Wüste …“ Er hielt kurz inne und schaute über das weite, stille Land. „Diese Abgeschiedenheit gibt mir die Chance, unbemerkt weiter als Arzt zu arbeiten. Bedra ist Ärztin, sie hat in Europa studiert“, erklärte er. „Im Palast glaubt jeder, Aarif und sie seien meine Dienstboten, doch in Wirklichkeit behandelt sie die Beduinen von hier aus. Aber Bedra ist keine Chirurgin, deshalb stehe ich ihr bei Operationen und komplizierten Eingriffen zur Seite.“ Warnend sah er sie an. „Niemand weiß davon. Du bis die
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