Julia Extra Band 0319
Schwester besser ging – noch vor kurzer Zeit wäre sie selbst diejenige gewesen, die diesen Satz zu Georgie gesagt hätte. Während sie aß, malte sie sich eine Zukunft aus, in der es für alle Frauen in der Familie endlich aufwärts gehen würde. Und sie wusste, dieser Tag würde kommen.
Doch zuerst musste sie den Stier bei den Hörnern packen.
Am fünften Tag nach ihrer Flucht von Zaraq hielt sie es nicht länger aus. Sie fuhr zu ihrer Wohnung, schloss auf und stand ihm gegenüber.
Karim sah schlimm aus.
Er trug Jeans und ein T-Shirt, das dringend gewechselt werden musste. Seit Tagen schien er sich nicht rasiert zu haben. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen, als habe er lange nicht geschlafen.
„Ich komme nicht mit zurück“, stellte sie sofort klar und reckte das Kinn. „Du kannst mir das Blaue vom Himmel versprechen – ich bleibe hier.“
„Ich werde dir nichts versprechen, was ich nicht halten kann.“
Gleichgültig zuckte sie die Schultern. „Es ist vorbei, Karim. Du hast mich so sehr enttäuscht.“
„Wegen des Babys …“
„Ich hasse dich für das, was du geplant hattest.“ Mit Genugtuung stellte sie fest, dass er vor ihrem eiskalten Blick zurückwich. „Wenn du dich vergewissern willst, ob du der Vater warst – bitte sehr. Im Krankenhaus ist es noch möglich. Dann weißt du endlich, dass ich dich nie belogen habe.“ Ihr Ton war kühl und teilnahmslos, doch sie konnte nicht verhindern, dass ihr Tränen die Wangen hinunterliefen. „Es war dein Kind – und du hättest es ohne mit der Wimper zu zucken deinem Bruder gegeben, nur um nicht König werden zu müssen.“
„Nein!“, beteuerte er hilflos. „Nur dann, wenn es das Kind eines Anderen gewesen wäre …“
„Was spielt das für eine Rolle?“, schleuderte Felicity ihm wutentbrannt entgegen. „Du hättest mir das angetan – einer Mutter das Kind aus den Armen gerissen und verhökert, nur damit Zaraq einen Erben hat.“
„Das hätte ich nicht getan.“
„Dein Vater hat es mir erzählt.“
„Ich hatte es vor, das stimmt.“ Seine Stimme war seltsam ruhig. „Aber ich hätte es nicht getan. Ich konnte es nicht. In der letzten Nacht, die wir zusammen verbracht haben, wusste ich plötzlich, dass ich dir das nicht antun kann.“
„Ach tatsächlich?“, entgegnete Felicity spöttisch. „Du wolltest nicht König werden, dein Bruder konnte nicht König werden ohne einen Erben. Also, was redest du?“
„Hör mir zu.“ In seinen Augen lag ein Ausdruck, den sie nicht deuten konnte. Es war keine Wut, aber doch eine unbestimmte Anspannung. „Es stimmt, ich will nicht König werden. Hätte ich Hassan das Baby nicht überlassen, hätte er abdanken und mir den Thron überlassen müssen. Es wäre meine Pflicht gewesen, diese Rolle zu übernehmen. Doch es ist das Letzte, was ich mir für mein Leben vorstelle. Denkst du wirklich, ich hätte meinem Sohn gewünscht, eines Tages Herrscher werden zu müssen?“
In seinen dunklen Augen standen Tränen.
„Diese Zukunft wollte ich ihm und dir ersparen. Denn auf die Rolle eines Königs vorbereitet zu werden, ist nicht nur hart für das Kind, sondern auch für die Mutter.“
Wie gern hätte Felicity ihre letzten Worte zurückgenommen. Sie mussten ihn unendlich verletzt haben. Gespannt hörte sie ihm weiter zur.
„In der Nacht vor der Operation habe ich meinen Brüdern gesagt, dass ich mich nicht auf den Tausch einlasse. Hassan und Jamal haben getobt. Sie warten seit Jahren darauf, den Thron zu besteigen, und nun wollte ich ihnen diese Chance nehmen. Immer wieder beschworen sie mich, es sei doch wahrscheinlich gar nicht mein Kind …“ Er stockte kurz. „Doch ich habe ihnen gesagt, dass es mir egal sei. Ich würde es als mein eigenes annehmen, um dich nicht zu verlieren.“
Voller Liebe betrachtete sie sein ebenmäßiges, stolzes Gesicht. Und sie hoffte, ihn nie wieder so unglücklich zu sehen wie jetzt.
„Ich habe ihnen versichert, dass ich keinen Anspruch auf den Thron erheben werde.“
„Aber wer dann?“ Ihr fiel ein, wie wütend Ibrahim seinen Bruder im Krankenhaus angesehen hatte. „Ibrahim?“
„An jenem Abend sind wir zu keinem Entschluss gekommen“, fuhr er fort. „Und wir wollten meinen Vater nicht mit unserem Streit belasten. Doch jetzt, wo es ihm besser geht, soll er entscheiden.“
„Er lebt?“
„So wie es aussieht, hat er noch viele gute Jahre vor sich.“ Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Und Hassan vermutlich auch.“
„Er wird also doch
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