Julia Extra Band 0319
Gefühlen und Bildern bei Abby in Gang. Im Bett liegen und Kaffee trinken, an süßen Brötchen knabbern … Frühstück war eine Mahlzeit, die sie nicht mit Luc geteilt hatte.
Und niemals mit ihm teilen würde.
„Corner Cottage hat noch mehr Mahlzeiten bestellt?“, fragte sie scharf, was ihr einen verwunderten Blick von Grace einbrachte.
„Natürlich. Er ist doch eine Woche hier. Für jeden Tag hat er Essen bestellt.“
„Aha.“ Eine ganze Woche Lieferungen nach Corner Cottage. Eine ganze Woche lang Luc sehen. Abby schloss die Augen. Wenn sie ihm jeden Tag begegnete, würde sie nachgeben. Sie würde schwach werden und ihn bitten …
„Abby, alles in Ordnung mit dir?“
Abby riss die Augen auf und zwang sich zu einem Lächeln. Sie würde Grace nicht wissen lassen, dass sie Luc kannte. „Ja, natürlich.“ Es klang viel zu ausweichend.
Und prompt fragte Grace auch: „Ist mir irgendetwas entgangen?“
„Nein, ich bin einfach nur müde. Tut mir leid.“
„Willst du nicht nach Corner Cottage rausfahren?“
Abby fühlte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss, und wünschte sich verzweifelt, sie wäre nicht so durchschaubar. „Nein, natürlich nicht … ich meine, doch, natürlich.“ Sie verhaspelte sich und beschäftigte sich lieber damit, die Kisten an die Tür zu stellen. „Ich sagte doch, ich habe nur schlecht geschlafen. Ich fahre gleich los.“
„Es gibt auch noch andere Bestellungen.“ Grace schaute abschätzend zu ihr hin, und Abby vermutete, dass die alte Frau sie längst durchschaut hatte. „Cadgwith und Mullion. Die kannst du zuerst machen.“
Es dauerte fast den ganzen Tag, um die Sachen auszuliefern. Corner Cottage bewahrte Abby sich bis zum Schluss auf. Doch als sie auf der Hauptstraße nach Carack hineinfuhr, schimpfte sie mit sich, dass sie zuerst hätte hierher kommen sollen, dann hätte sie einen guten Grund gehabt, nur das Essen abzuliefern und sofort weiterzufahren.
Oder hatte sie vielleicht darauf spekuliert, nicht sofort abfahren zu müssen? Darüber wollte sie lieber nicht nachdenken.
Sie bremste den Wagen ab, stieg aus und hob die Proviantkiste auf den Arm. Die schwere Kiste auf einer Hüfte balancierend, ließ sie den altmodischen Messingklopfer gegen die Tür fallen. Ihr Puls raste, ihre Handflächen waren feucht. Sie klopfte noch einmal und wartete, doch niemand kam zur Tür. Also zog sie den Schlüssel aus ihrer Hosentasche – Grace besaß für alle Lieferadressen einen Schlüssel – und öffnete die Küchentür.
Sie konnte sich nicht zurückhalten und sah sich um. Ihr fielen die kleinen Dinge auf – die gespülte Tasse und der Teller, die neben dem Spülbecken trockneten, die dicken Wollsocken, die über den Wanderstiefeln neben dem Kamin hingen, das heruntergebrannte Feuer. Sie verstaute die mitgebrachte Mahlzeit im Kühlschrank, in dem außer einem Rest der gestrigen Lasagne nur noch ein Liter Milch und ein Paket Kaffee standen. Während sie herumhantierte, fielen ihr andere Dinge auf, Dinge, die ihr mehr über Luc verrieten. Ein Taschenbuch und eine Brille lagen auf dem Tischchen beim Sofa. Er trug eine Brille? Noch etwas, das sie nicht gewusst hatte.
Mit absoluter Sicherheit allerdings wusste sie, dass sie nicht nach oben gehen sollte. Sie lieferte Essen, mehr nicht, es bestand kein Grund, nach oben zu gehen.
Und doch … schon schlich sie auf Zehenspitzen die schmale Treppe hinauf, mit angehaltenem Atem. Sie schnüffelte herum, anders war es nicht zu nennen, was sie hier machte. Eigentlich sollte sie zusehen, dass sie aus dem Haus kam, zu Grace zurückfahren und ihrem Schöpfer danken, dass sie Luc heute nicht über den Weg gelaufen war.
Stattdessen stieg sie weiter die Stufen empor.
Ein Blick ins Bad zeigte ihr ein benutztes Handtuch, Rasiermesser und -pinsel lagen zusammen mit einem Stück Seife neben dem Waschbecken. Sie nahm die Seife und schnupperte daran. Der herbe Duft rief eine Flut von Erinnerungen wach, und sie ließ das Seifenstück fallen, als hätte sie sich verbrannt.
„Ich muss hier raus“, wisperte sie panisch – und ging weiter zum Schlafzimmer.
So ordentlich die anderen Räume waren … das Bett war nicht gemacht, die Laken so wunderbar, so faszinierend zerknittert, und im Kissen ließ sich noch die Delle erkennen, wo Lucs Kopf gelegen hatte. Sie konnte nicht widerstehen, ging hin, beugte sich vor und sog tief den Duft ein.
„Abby?“
Zu Tode erschreckt, zuckte sie zusammen. Eine Hand an die Brust gepresst, wirbelte sie herum.
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