Julia Extra Band 0319
unfreundlichen grauen Himmel, als er ihr an Bord seiner Privatmaschine half.
Abby sah sich in der luxuriösen Kabine um, sah die Mahagonimöbel, die Ledersessel, die frischen Schnittblumen und die aufgestockte Bar. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. „Wie reich genau bist du eigentlich?“
„Reich genug.“ Luc zog sein Jackett aus, setzte sich und bot Abby an, ebenfalls Platz zu nehmen.
Sie ließ sich auf den Sitz ihm gegenüber sinken. „Und womit verdienst du dir deinen Lebensunterhalt?“ Ihr wurde klar, dass sie noch niemandem so eine Frage gestellt hatte.
„Ich verwalte Besitztümer“, antwortete er.
„Und wem gehören diese Besitztümer?“
„Mir.“
Ein Steward trat zu ihnen. „ Vous êtes prêt, Monsieur le Comte ?“
„ Oui. Merci , Jacques.“
Abby drückte stocksteif den Rücken durch. „Monsieur le Comte?“, wiederholte sie fassungslos. „Du bist ein Graf?“
Luc zuckte gleichgültig mit den Achseln. „Das hat heute nur noch wenig Bedeutung.“
„Aber du gehörst zum Adel? Ich dachte, Adelstitel wären der Revolution zum Opfer gefallen.“
„Sind sie auch. Doch über die folgenden Jahrhunderte wurden einige hundert wieder zurückgegeben. Nur hat der Adel heute natürlich keine Macht mehr.“
Aber Geld und Land, dachte Abby. „Wie also lautet dein voller Name?
Luc hielt kurz inne, bevor er nahezu angewidert sagte: „Jean-Luc Toussaint, Comte de Gévaudan.“
Comte de Gévaudan. Das klang wie aus einem Märchen. Stumm und ungläubig schüttelte Abby den Kopf. Es bewies nur ein weiteres Mal, wie wenig sie über Luc wusste. Sie sah zu ihm hin. „Heißt das, wäre unser Baby ein Junge, hätte es den Titel geerbt?“
„Nur, wenn wir heiraten würden“, erwiderte er tonlos, und Abby wurde rot.
Heiraten … das würde nie geschehen. Sie wollte es nicht einmal. Nein, keine überstürzte Hochzeit, nur weil ein Kind unterwegs war, und anschließend eine lieblose Ehe führen … Sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass Luc das wollte.
Abby starrte auf die Startbahn, als der Jet sich in Bewegung setzte. Schon wenig später stiegen sie in die Luft, immer höher, durchstießen die dunkle Wolkendecke und flogen in einen endlosen blauen Himmel hinein.
Jacques kehrte mit den Getränken zurück. Nachdenklich nippte Abby an ihrem Orangensaft, während Lucs Kaffee unangerührt kalt wurde. Er hatte Unterlagen aus einem Aktenkoffer genommen, die er durchlas. Sie hätte nicht sagen können, warum es sie so ärgerte, dass er sich auf seine Arbeit konzentrierte. Luc hatte ein Leben zu leben, Dinge, um die er sich kümmern musste, und nichts lag ihr ferner, als ihn davon abzuhalten.
Abby wünschte, sie hätte ebenfalls etwas zu tun. Einen Moment lang wollte die Sehnsucht nach der Musik sie übermannen. Sie sehnte sich danach, die glatten Tasten des Flügels unter ihren Fingern zu spüren, wollte die magischen Klänge hören, die sie dem Instrument entlocken konnte. Doch sie verdrängte das Gefühl und lehnte mit geschlossenen Augen den Kopf zurück. Sie sehnte sich nach dem Vergessen, das der Schlaf bringen könnte. Doch trotz ihrer Müdigkeit waren ihre Nerven zu angespannt, um einzuschlafen. Die Minuten dehnten sich, wurden zu einer vollen Stunde, ohne dass Luc auch nur ein einziges Mal zu ihr schaute.
Daran würde sie sich wohl besser gleich gewöhnen. Luc mochte sie bei sich in Frankreich haben wollen, er mochte sich um sie kümmern wollen, aber das hieß nicht unbedingt, dass er auch mit ihr reden wollte.
Luc konnte sich nicht konzentrieren. Er konnte nicht einmal die Buchstaben auf dem Papier entziffern. Dennoch hielt er den Blick starr auf die Unterlagen gesenkt. Er war entschlossen, Abby Raum zu geben.
Sie hatte nicht mit ihm nach Frankreich kommen wollen, das war gestern Abend deutlich geworden. Er sollte sie nicht mit nach Frankreich nehmen wollen, vor allem nicht ins Languedoc, wo seine Erinnerungen lagen, wo sein Herz zurückgeblieben war. Dieser Tage hielt er das alte Bauernhaus fest verschlossen, ebenso wie das Château. Und doch sagte ihm ein Instinkt, dass er Abby dorthin bringen musste. Nach Hause.
Jetzt, da ein Kind unterwegs war, sein Kind, war Luc klar, dass er Abby in seinem Leben brauchte. Und er musste Teil ihres Lebens sein. Selbst wenn es sie beide quälen würde.
Einen Moment lang wanderten seine Gedanken zurück zu dem Kind, das er schon hätte haben können. Er oder sie wäre jetzt drei Jahre alt, wenn Suzannes Schwangerschaft normal verlaufen wäre.
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