Julia Extra Band 0319
Abendessen vorbereiten und sich überhaupt keine Gedanken machen.
Natürlich kam es anders. Abby stand am Fenster und schaute Lucs Wagen nach, als er die Auffahrt hinunterfuhr. Und schon hallte das Echo der drückenden Stille im Haus in ihren Ohren. Rastlos wanderte sie durch die leeren Räume.
Das war ja lächerlich. Es gab genug zu tun. Sie könnte einen Brief an ihre Mutter schreiben, die zur Geburt des Babys kommen wollte. Oder noch einmal den letzten Brief ihres Vaters hervorholen und den dicken Packen Kritiken über seine Tournee durchlesen, den er beigelegt hatte. Ein Spaziergang wäre auch eine wunderbare Idee. Die Sonne strahlte so schön, die Luft war frisch und klar.
Abby mochte versuchen sich einzureden, dass sie nur ein wenig die schöne Gegend genießen wollte, doch in Wahrheit schwebte ihr ein sehr genaues Ziel vor.
Château Mirabeau.
Vor den Toren blieb sie stehen. Das neue Vorhängeschloss aus Stahl blitzte und blinkte ihr entgegen. Sie fasste es kurz an, es fühlte sich kühl und hart an. Die Tore waren sicher verschlossen, das Château war wieder vollkommen unzugänglich. Das wusste sie ja bereits, hatte es auf einer Fahrt nach Pont-Saint-Esprit gesehen. Luc hatte kein Wort darüber verloren, und so hatte auch sie nichts gesagt.
Feigling .
Abby schüttelte den Kopf, verärgert über sich selbst und ihre Unsicherheit. Hätte sie eine echte Beziehung zu Luc, basierend auf Liebe und Vertrauen, dann würde sie diese Dinge alle zur Sprache bringen können, oder?
„Nur ein paar unwichtige Punkte, wie zum Beispiel, wie lange du bleiben wirst“, sagte sie laut und wurde sich klar, dass sie seit Paris nicht mehr mit sich selbst gesprochen hatte. Das war nicht mehr nötig gewesen, Luc war ja immer da.
Sie strich über das kühle Schloss. Nein, wirklich da war er nicht, nicht so, wie sie es sich wünschte, wie sie es sich ersehnte – bedingungslos, ohne Zurückhaltung oder Zweifel. Allein dass sie hier vor dem prächtigen Schloss stand wie das arme traurige Stiefkind bewies doch, wie viel der Beziehung zwischen ihr und Luc fehlte. Sie sollte zusammen mit ihm in Paris sein. Oder zumindest beruhigt und gelassen mit der Tatsache umgehen können, dass sie hier war und er dort.
Stattdessen nagte Unsicherheit und Angst an ihr. Der Kokon, in dem sie sich die letzten beiden Monate so wohl gefühlt hatte, platzte auf. Wegen einer Kleinigkeit. Oft aber waren es gerade die Kleinigkeiten, die die großen Dinge entlarvten. Dinge, vor denen sie absichtlich die Augen verschlossen hatte, weil die letzten Monate so perfekt gewesen waren.
So oberflächlich.
Sie hörte einen herankommenden Wagen und wirbelte herum. Unsinnige Hoffnung flammte in ihr auf. Vielleicht war Luc zurückgekommen, weil er doch nicht ohne sie nach Paris fliegen wollte …
Doch die Hoffnung erstarb, als eine elegante Frau Mitte fünfzig aus dem Wagen stieg und zielstrebig auf Abby zuschritt. Abby erstarrte. Unwillkürlich legte sie schützend die Hand auf ihren Leib. Was, wenn Luc das Château verkauft hatte? Vielleicht war diese Frau die neue Besitzerin und kam, um Abby von ihrem Grundstück zu verjagen.
„Wohnen Sie hier?“, fragte die Frau. Ihre Stimme klang rau und aufgewühlt.
Abby schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe mich nur ein wenig umgesehen.“
Eine Sekunde lang schien alle Energie aus der Frau herauszufließen, dann kehrte ihre Haltung zurück, und sie schüttelte langsam den Kopf. „Ich hatte gehofft …“, murmelte sie, mehr zu sich selbst.
Abbys Neugier war geweckt. „Gehofft?“, hakte sie nach.
Der Blick der Frau lag auf Abbys Bauch. „Kennen Sie den Comte de Gévaudan?“
Der formelle Titel überraschte Abby, sie versteifte sich. „Ja.“
„Geheiratet haben Sie ihn aber nicht, sonst wären die Zeitungen voll davon gewesen“, schloss die Frau sofort. „Davon hätte ich gehört.“
Sie sprach entschieden, mit abwägend zusammengekniffenen Augen, und Abby fühlte sich immer unwohler. Boshaft war diese Frau nicht, aber irgendetwas war sonderbar an ihr. „Sie kennen ihn?“, fragte Abby, und die Frau lachte bitter auf.
„Oh ja, ich kenne ihn … kannte ihn. Aber seit fast zwei Jahren haben wir nicht mehr miteinander gesprochen. Seit der Beerdigung meiner Tochter.“
Jetzt wusste Abby sofort, wer diese Frau war. „Sie sind Suzannes Mutter“, sagte sie leise.
„Mireille Roget“, bestätigte die Frau. „Er hat Ihnen von Suzanne erzählt? Er hat über sie gesprochen?“
„Ja, sicher, er …“ Abby
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