Julia Extra Band 0319
außer Gefahr.“
Abby nickte erleichtert. „Kann ich sie sehen?“
„Sie wird auf der Frühchenstation versorgt, aber ich werde fragen, ob eine Schwester sie nicht zu dir bringen kann.“
Die Gefühle tobten in Abby, eine Mischung aus nachträglicher Angst und Liebe. Sie befand sich gefährlich nahe davor, in Tränen auszubrechen. Sie griff nach Lucs Hand, und er umschloss sie warm und fest. „Ich bin froh, dass du hier bist“, sagte sie.
„Ich wünschte, ich hätte dir zur Seite stehen können. Ich hätte nicht fahren dürfen.“
„Es konnte doch niemand voraussehen, dass das passiert. Du kannst schließlich nicht immer bei mir sein.“
„Nein.“
Sie schwiegen beide. Abby wünschte, sie könnte noch mehr sagen, noch mehr fragen. Sie wollte wissen, wie Luc sich vorstellte, dass es weitergehen sollte, jetzt, da das Baby auf der Welt war. Sicher, sie würden zusammen ins Bauernhaus zurückkehren, bis sie sich erholt hatte. Und danach? Sie wollte keine Last für Luc sein, nicht, wenn sie ihn liebte und er ihre Liebe nicht erwidern konnte. Es würde ihn nur unglücklich machen.
So unglücklich, wie Suzanne gewesen war.
Da war es besser, wenn sie gleich zu ihrem Leben zurückkehrte. Ihr Körper würde heilen … und ihr Herz auch.
„Luc …“ Sie wusste nicht einmal genau, was sie sagen wollte.
„Schsch.“ Er tätschelte ihre Hand. „Ich werde dich jetzt allein lassen, du musst ausruhen. Sie werden dir das Baby gleich bringen.“ Er lächelte kurz, und dann war er auch schon verschwunden.
Abbys Herz lag wie Blei in ihrer Brust. Sie drehte das Gesicht zur Seite und ließ ihren Tränen freien Lauf.
14. KAPITEL
Im Mondlicht hielt Luc den Wagen vor den Toren an. Er war direkt vom Krankenhaus, wo er Abby mit dem Baby auf dem Arm zurückgelassen hatte, zum Schloss gefahren. Sie hatten sich für Emilie Charlotte entschieden. Ihre Tochter war zart und fein wie eine Rosenknospe, alles war perfekt an ihr. Noch immer zog sich sein Herz zusammen, wenn er an das wunderbare Bild von Mutter und Kind dachte. So viel war ihm gegeben worden, und so vieles konnte er noch immer verlieren.
Er stieg aus und nahm den Schlüssel aus der Tasche. Das Vorhängeschloss ließ sich problemlos aufschließen, schließlich war es neu, und schon lief Luc über den vertrauten Pfad. Der Kies knirschte unter seinen Schritten, Château Mirabeau stand als dunkle Silhouette gegen den silbernen Mond. Luc kannte jede einzelne Zinne, ohne zu zögern kürzte er über den Rasen ab, stieg die Freitreppe empor und öffnete die Schlosstür.
Im Foyer blieb er stehen und atmete tief den Geruch ein. Es roch nach Staub und leichtem Moder, der Geruch von Verfall. Aber noch immer lag ein Hauch von Lavendel in der Luft …
Das hier war sein Zuhause. In der warmen Sommernacht ging er still und leise durch die Räume. Beim letzten Mal, als er Abby hier suchte, hatte er auf nichts anderes geachtet als darauf, sie zu finden. Vielleicht hatte er auch absichtlich die Augen vor seiner Umgebung verschlossen, weil er es nicht hatte ertragen können, sein geliebtes Zuhause so verfallen zu sehen.
Der Tag, an dem er sich eingestanden hatte, wie besessen er von diesem Ort war, so besessen, dass es das Leben eines anderen Menschen, seiner Frau, gekostet hatte, war der schlimmste Tag seines Lebens gewesen. Scham, Schuld, Trauer … sie alle waren wie glühende Schwerter durch sein Fleisch gefahren. Also hatte er sich abgeschottet, damit er gar nichts mehr fühlte.
Nichts mehr zu fühlen sei einfacher, hatte er sich eingeredet. Dabei hatte er immer eine Wahl gehabt. Vielleicht schon damals, als sein Vater so unerwartet gestorben war. Damals hatte Luc beschlossen, das Château zu lieben statt der Menschen. Gebäude starben nicht, sie konnten einen nicht verletzen, und man konnte sie nicht enttäuschen.
Nur … wenn er sich jetzt umschaute und überall die verstaubten Laken über den kostbaren Möbeln sah, die seine Mutter so sehr geliebt hatte, da fragte er sich, ob nicht auch ein Gebäude enttäuscht sein konnte.
Er war es leid – die Enttäuschungen, die Schuldgefühle, die Angst. Nie hatte er so eine Angst verspürt wie in dem Moment, als Mireille ihm berichtete, dass Abby im Krankenhaus lag, dass sie und das Baby in Lebensgefahr waren. Allein bei dem Gedanken erfasste ihn jetzt noch Panik.
Luc hatte geglaubt, Abby zu lieben wäre zu schwer, das Risiko, sie zu verletzen und zu enttäuschen, zu groß. Deshalb hielt er Distanz zu ihr. Doch als er sich
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