Julia Extra Band 0319
zurück, das auf dem Bett lag. Sie hatte sich darin wie eine Prinzessin gefühlt. Oder vielleicht wie Aschenputtel auf dem Ball. Nur um dann auf brutale Weise zu erfahren, dass Lorenzo nicht der Prinz war.
Sie erschauderte bei der Erinnerung an seinen Gesichtsausdruck, als sie ihm ihre Liebe erklärte, und schloss die Augen, um den Gedanken an den sarkastischen Blick zu vertreiben, mit dem er sie danach angesehen hatte. Er hatte ihr nicht nur das Herz gebrochen, sondern sie auch völlig gefühlskalt gedemütigt.
Zum ersten Mal war sie dankbar, dass niemand von ihrer Familie zur Hochzeit gekommen war. Ihre Mutter und ihre Schwester waren zu beschäftigt, sich in Australien ein neues Leben aufzubauen, und seit Chloe beschlossen hatte, sie nicht zu begleiten, schien sie für die beiden beinahe nicht mehr zu existieren. Und ihr Vater war natürlich nicht da. Sie wusste nicht mal, wo er wohnte – oder ob er noch lebte.
Sie hatte geglaubt, dies wäre der glücklichste Tag in ihrem Leben, doch sie war von Lorenzo gnadenlos aus diesem Traum gerissen worden. Jetzt musste sie sich beeilen, wenn sie die Chance haben wollte, dieser Situation zu entfliehen. Denn in diesem Moment wollte sie nur so weit weg von Lorenzo sein wie möglich.
Entschlossen setzte sie den Hut aus Fellimitat auf, unter dem ihr hellblondes Haar verschwand und der ihr Gesicht so gut es ging versteckte. Dann stellte sie den Kragen ihres langen Mantels auf und schlich über den Flur zu der Seitentreppe, die zum Anleger des Palazzos führte.
Sie wusste, dass am Ausgang zum Canal Grande viele Boote darauf warteten, die Gäste nach dem Empfang in ihre Hotels zurückzufahren, und sie musste so schnell wie möglich über die Lagune zum Flughafen kommen. Ihr blieb nicht viel Zeit, bevor der Flieger heute Abend die Stadt verließ.
In ihrer winterlichen Kleidung sah Chloe nicht mehr aus wie die kleine blonde Braut, die vor ein paar Stunden frisch verheiratet und strahlend vor Glück hier angekommen war – und sie hoffte verzweifelt, dass sie niemand erkannte. Sie hätte es nicht ertragen, von einem der Sicherheitsleute aufgehalten zu werden.
Hastig stieg sie in ein Wassertaxi. Ein eisiger Wind, der sich anfühlte, als käme er direkt von den schneebedeckten Gipfeln der Dolomiten, umwehte sie und ließ sie tief in ihrem Innern erzittern.
Am Nachmittag noch waren ihr die tanzenden Schneeflocken wunderschön und romantisch erschienen. Jetzt wirkte das Wetter unerbittlich und grausam.
Aber zumindest war sie unbemerkt aus dem Palazzo entkommen und nun auf dem Weg zum Flughafen. Die Fenster des Bootes waren beschlagen, sodass sie nicht hinausblicken konnte, die Bewegungen des Wassers ließen Übelkeit in ihr aufsteigen.
Plötzlich schien die Nacht undurchdringlich – eine wirbelnde schwarz-weiße Unsicherheit, ohne erkennbare Orientierungspunkte. Und Chloes Herz brach in Millionen winzige Teile, die sich nicht von den eisigen Schneeflocken unterschieden, die von den Berggipfeln wehten und vom pechschwarzen Wasser der Lagune verschluckt wurden.
Lorenzo stand draußen auf dem Balkon und starrte in den Schneesturm. Seine Laune war genauso schlecht wie das Wetter. Es schneite jetzt so heftig, dass die Lichter in den Gebäuden auf der anderen Seite des Canal Grande nur schwach erkennbar waren.
Nicht, dass es irgendetwas zu sehen gegeben hätte. Chloe war verschwunden. Sie hatte den letzten Flug genommen, der die Stadt an diesem Abend verließ, und jetzt machte das Wetter es ihm unmöglich, ihr zu folgen – selbst mit seinem Privatjet.
Er fluchte heftig und umklammerte die Balustrade mit Fingern, die so kalt und hart waren wie das Metall unter ihnen.
Lorenzo wusste, wohin sie mit größter Wahrscheinlichkeit unterwegs war – zum Haus ihrer besten Freundin Liz, das sich in einem kleinen Dorf südlich von London befand. Aber zur Vorsicht würden seine Leute sie dennoch am Flughafen Gatwick erwarten und ihr folgen, um ihr endgültiges Ziel zu ermitteln.
Es war kein langer Flug. Tatsächlich würde sie jetzt schon fast da sein. Automatisch hob Lorenzo den Arm, um auf seine Uhr zu sehen, und fluchte erneut, als er sah, dass sein dunkler Hochzeitsanzug mit eisigem Schnee bedeckt war.
Abrupt wandte er sich um und ging zurück ins Schlafzimmer, wo er mit ungeduldigen Bewegungen den Schnee wegwischte. Aber er schmolz bereits von der Hitze seines Körpers, deshalb zog er das nasse Jackett aus und warf es beiseite.
Plötzlich fror er – während er auf das
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