Julia Extra Band 0319
frisch. Liz war zu jung zum Sterben gewesen. Und Baby Emma zu jung, um die Mutter zu verlieren.
„Wenn du sicher bist, dass es dir gut geht, dann gehe ich jetzt zurück zum Cottage“, sagte Gladys sanft. „Die anderen warten dort bestimmt schon auf mich.“
„Danke, dass du alle zu dir zum Tee eingeladen hast“, meinte Chloe. Es war sehr rücksichtsvoll von der alten Dame, sich um die Beerdigungsgäste zu kümmern, denn Chloe fühlte sich dafür noch nicht stark genug.
„Es ist das Mindeste, was ich tun kann“, wehrte Gladys ihren Dank ab. „Du hast mit der kleinen Emma alle Hände voll zu tun. Und du hast schon so viel getan.“
„Ich habe nur das getan, was jeder andere auch getan hätte“, widersprach Chloe.
„Nein, nicht jeder“, erklärte Gladys entschieden. „Du hast dich in einer schwierigen Zeit liebevoll um deine Freundin gekümmert. Und jetzt tust du etwas ganz Wunderbares – du nimmst ihr Baby als dein eigenes an. Liz konnte sich sehr glücklich schätzen, eine Freundin wie dich zu haben.“
Chloe presste ihre zitternden Lippen zusammen und versuchte zu lächeln. Sie wusste, dass Gladys es gut meinte, aber in diesem Moment kam es ihr einfach nicht so vor, als wenn Liz sich hätte glücklich schätzen können. Sie hatte so viel gelitten, nur um dann doch den Kampf gegen den Krebs zu verlieren.
„Wir sehen uns später.“ Chloe umarmte Gladys. Dann, als die alte Dame sich umwandte und auf die kleine Häuserreihe im Dorf zuging, atmete sie leise auf. Sie musste für einen Moment allein sein.
Auf keinen Fall hätte sie jetzt mit der Gruppe von wohlmeinenden Trauergästen aus dem Dorf zusammenstehen können. Liz hatte keine nahen Verwandten, und Emmas Vater war nie in Erscheinung getreten. Als er von Liz’ Schwangerschaft erfuhr, wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben und behauptete sogar, dass er auf gar keinen Fall der Vater sein könnte.
„Wir kommen schon zurecht“, flüsterte Chloe und küsste Emmas rosige Wange. „Wir haben uns.“
Doch plötzlich fühlte sie sich sehr allein. Sie musste an Lorenzo denken. Vor drei Monaten hatte sie geglaubt, die wunderschönste Reise ihres Lebens anzutreten – Ehe und Kinder mit ihrem umwerfend attraktiven italienischen Ehemann. Jetzt war alles ganz anders.
Seit ihrer Flucht aus Venedig hatte Chloe kein Wort von ihm gehört, und das schmerzte sie mehr, als sie sich selbst eingestehen wollte. Natürlich war es unrealistisch gewesen, zu glauben, dass er ihr folgen und erklären würde, er habe einen Fehler gemacht und liebe sie doch.
Dennoch hatte sie genau das gehofft.
Sie hatte ihn auch nicht kontaktiert, war zu sehr mit Liz und Emma beschäftigt gewesen. Und wenn sie ganz ehrlich war, dann hätte sie ihm auch gar nicht gegenübertreten können.
Tief in ihrem Innern wusste sie, dass es falsch von ihr gewesen war, ohne ein klärendes Gespräch einfach davonzulaufen – aber sie hatte nur instinktiv auf die Entdeckung reagiert, dass Lorenzo ihre Ehe als ein Zweckarrangement ohne Liebe sah. Es war reiner Selbstschutz gewesen, denn sie wusste, dass er ihr noch mehr wehtun würde, wenn sie bei ihm blieb.
Aber jetzt musste sie sich mit Lorenzo in Verbindung setzen.
Zum einen wegen der geplanten Adoption von Emma. Sie waren offiziell noch immer verheiratet, und das sorgte vielleicht für juristische Komplikationen. Und zum anderen wegen des Geldes, das sie vor ein paar Tagen von einem Konto hatte nehmen müssen, das von ihm vor der Hochzeit in ihrer beider Namen eröffnet worden war. Der Betrag, um den es ging, war für einen so reichen Mann wie Lorenzo völlig unbedeutend, aber sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass ihm kein Detail – und sei es noch so unwichtig – jemals entging.
Sie wollte ihm mitteilen, dass sie es ihm zurückzahlen würde, sobald sie konnte. Auf keinen Fall würde sie ihm etwas schuldig bleiben. Und je eher sie die Dinge regelte, desto eher konnte sie diese traurige Episode in ihrem Leben hinter sich lassen und für sich und Emma etwas Neues aufbauen.
Ein Zittern erfasste sie bei dem Gedanken, Lorenzo wiederzusehen, doch sie schloss die Augen und legte die Wange an Emmas kleines Köpfchen.
„Darüber werde ich jetzt nicht nachdenken“, sagte sie zu dem Baby. Sie hatte Liz versprochen, positiv in die Zukunft zu blicken, aber in diesem Moment fiel es ihr schwer, ihr Versprechen zu halten.
Langsam ging sie zu der Holzbank unter dem blühenden Kirschbaum hinüber. Das weiche Gras war mit rosafarbenen
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