Julia Extra Band 0319
Hochzeitskleid starrte, das Chloe auf dem Bett zurückgelassen hatte. Sein Herz hämmerte wild in seiner Brust, und er spürte, wie das Blut durch die Adern rauschte.
Wie konnte sie es wagen, ihn einfach zu verlassen?
Wie konnte sie es wagen, ohne ein Wort in die Nacht zu verschwinden?
Sie konnte ihre Ehe nicht einfach so beenden, nur weil er ihren sentimentalen Ausbruch im Keim erstickt hatte.
Doch das war jetzt unwichtig. Er wusste nicht und es interessierte ihn auch nicht, ob ihre Liebeserklärung nur ein kalkulierter Schachzug gewesen war. Oder ob das prächtige Fest diese unangebrachten Gefühle in ihr geweckt hatte. Es machte jetzt keinen Unterschied mehr. Durch ihre Flucht hatte sie ihr Schicksal besiegelt. Ihre Ehe war vorbei.
Lorenzo hob das Kleid auf und musste auf einmal daran denken, wie sexy Chloe darin ausgesehen hatte. Fast den ganzen Nachmittag hatte er sich in Gedanken ausgemalt, wie er es ihr von ihrem verführerischen Körper streifen würde.
Hatte sich Chloe als seine Geliebte vorgestellt. Und als Mutter seiner Kinder.
Aber ihre Verbindung war nur von kurzer Dauer gewesen – vorbei, bevor sie überhaupt richtig anfing.
Eine Erinnerung tauchte plötzlich und ungebeten in seinem Kopf auf, und er ballte die Hände zu Fäusten, ohne zu merken, dass er dabei den feinen Stoff zerknitterte. Es war nicht das erste Mal, dass ihn jemand im Palazzo zurückließ und ging. Aber niemand würde das jemals wieder ungestraft tun.
Sein Blick fiel abermals auf das duftige Seidenkleid. Dann warf er es mit einer wütenden Bewegung hinaus auf den Balkon.
Er stand da und starrte es einen Moment lang an, während er sich zwang, ruhig zu atmen. Bewusst brachte er seinen hämmernden Herzschlag wieder unter Kontrolle. Im gespenstischen Licht des Sturms konnte man das Kleid schon jetzt kaum noch von der Schneedecke unterscheiden, die sich auf den Balkon legte. Wenn es nicht aufhörte zu schneien, würde es bald ganz darunter verschwinden.
Mit einem Knall schlug Lorenzo die Glastür zu. Dann drehte er sich um und ging.
2. KAPITEL
Drei Monate später
Es war ein wunderschöner Tag Anfang Mai. Die Sonne schien, die Vögel sangen. Und Chloe stand am Grab ihrer besten Freundin und hielt ein verwaistes Baby auf dem Arm.
Es war fast nicht zu glauben – aber Liz, die Mutter von Baby Emma, war wirklich nicht mehr da. Chloe hatte drei Monate Zeit gehabt, sich mit der Tatsache abzufinden, dass ihre geliebte Freundin ihren Kampf gegen den Krebs verlieren würde, doch ihr Tod war dennoch ein Schock für sie gewesen.
Sie war in jener stürmischen Nacht im Februar von Venedig hergeflogen und direkt zu Liz’ Haus in diesem kleinen Dorf gefahren. Sie hatte ihre Freundin unbedingt wiedersehen wollen – zum Teil, um mit ihr über das zu reden, was zwischen Lorenzo und ihr passiert war, aber hauptsächlich, um sich von ihr trösten zu lassen.
Doch als Liz die Haustür ihres Cottages öffnete und sie hereinließ, hatte Chloe sofort gewusst, dass etwas nicht stimmte. Der Krebs, der schon besiegt schien, war wieder ausgebrochen.
Liz hatte es Chloe nicht erzählt, um ihr den vermeintlich glücklichsten Tag ihres Lebens nicht zu verderben – ihren Hochzeitstag. Und noch schrecklicher war die Nachricht, dass die Krankheit schon zu weit fortgeschritten war und die Ärzte sie nicht mehr retten konnten.
Chloe blickte auf das Baby, das sich an sie kuschelte, und fühlte sich kalt und leer. Der strahlende Sonnenschein vertrieb die Kälte nicht, und in diesem Moment war sie davon überzeugt, dass ihr niemals wieder warm werden würde.
„Geht es dir gut, Liebes?“
Sie erkannte die besorgte Stimme von Gladys, Liz’ freundlicher Nachbarin. Die alte Dame war während der vergangenen Wochen eine unglaubliche Stütze für Chloe gewesen. Sie hatte sie in den schwärzesten Stunden aufgemuntert und angeboten, auf das Baby aufzupassen, sodass Chloe so viel Zeit wie möglich bei Liz im Krankenhaus und später im Hospiz verbringen konnte.
Chloe drehte sich um und versuchte, überzeugend zu lächeln, obwohl sie wusste, dass Gladys sich davon vermutlich nicht täuschen ließ.
„Ja, mir geht’s gut“, sagte sie.
„Es war ein schöner Gottesdienst“, meinte Gladys. „Die Lesungen, die Liz sich gewünscht hatte, waren wundervoll.“
Chloe nickte und schluckte hart, weil die Trauer ihr erneut die Kehle eng machte. Für sie war die Beerdigung beinahe unerträglich gewesen. Der Schmerz, ihre beste Freundin zu verlieren, war noch zu
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