Julia Extra Band 0319
seinen Gesichtsausdruck nicht deuten konnte.
Chloe holte zitternd Luft und zwang sich, weiter die Treppe hinunterzugehen.
„Komm herein“, sagte Lorenzo und trat zur Seite, um sie vorbeizulassen. „Wir haben noch eine Menge zu besprechen.“
Auch im Arbeitszimmer beherrschte eine breite Fensterfront den Raum, und Schiebetüren führten hinaus auf eine breite Holzterrasse neben einem großen Teich, an dessen Ufer zahllose violette Schwertlilien blühten.
Doch Chloe nahm nur Lorenzo wahr, als sie durch die Tür an ihm vorbeiging und für einen ganz kurzen Moment die Wärme seines Körpers spürte. Sie fühlte sich klein neben ihm, vor allem in ihren flachen Schuhen. Eine Sekunde lang wünschte sie, noch immer das formelle graue Kostüm zu tragen – doch dann schob sie den Gedanken beiseite.
Sie war vielleicht klein, aber sie war eine starke Frau. Sie würde sich von Lorenzo nicht überwältigen lassen. Während der vergangenen Monate hatte sie viel durchgemacht, und dieses Gespräch mit Lorenzo war nur eine weitere Hürde auf ihrem Weg. Am besten brachte sie es einfach hinter sich – zu ihren eigenen Bedingungen.
„Es tut mir leid, dass ich mit dir nicht darüber gesprochen habe, Emma zu adoptieren“, ergriff sie die Gelegenheit, das Gespräch zu beginnen. „Ich verstehe, warum du wütend darüber bist, aber es muss keinerlei Auswirkungen auf dein Leben haben.“
„Natürlich hat es das“, widersprach Lorenzo. „Sei nicht albern – wir sind verheiratet.“
Er starrte Chloe ungeduldig an. Sein Körper reagierte bereits auf ihre Anwesenheit – sie sah in der engen Jeans und dem T-Shirt unglaublich sexy aus. Doch zum ersten Mal fiel ihm auf, dass er die Frau, die er vor drei Monaten geheiratet hatte, kaum noch wiedererkannte. Sie wirkte so anders.
Offensichtlich war ihr nicht viel Zeit geblieben, sich um ihr Aussehen zu kümmern, aber das war verständlich. Sie sah müde und erschöpft aus, und ihre Sommersprossen zeichneten sich deutlicher als sonst auf ihrer milchweißen Haut ab.
Ihr hellblondes Haar war gewachsen. Es hing ihr jetzt wie ein ungeschnittener und ungerader Vorhang bis beinahe auf die Schultern und fiel ihr immer wieder ins Gesicht. Ihre Kleidung wirkte wenig schick, und ihre flachen Schuhe hatten schon bessere Tage gesehen.
Die äußeren Veränderungen waren verwirrend, aber was ihn wirklich aus der Fassung brachte, war ihre veränderte Haltung. Ihr Benehmen war indiskutabel gewesen, und obwohl sie sich dafür entschuldigt hatte, waren ihre Schultern noch immer entschlossen gestrafft und ihr Kinn trotzig vorgeschoben.
„Nein, es muss keine Auswirkungen auf dein Leben haben – nicht, wenn wir uns scheiden lassen, bevor ich die Adoption beantrage“, erklärte Chloe.
Wut stieg in Lorenzo hoch, und einen Moment lang konnte er nicht glauben, was er da hörte. Chloe hatte ihn an ihrem Hochzeitstag verlassen, ohne auch nur einmal zurückzublicken, und jetzt besaß sie die Frechheit, ihm das vorzuschlagen!
Das kam überhaupt nicht infrage – auf gar keinen Fall würde er sich von Chloe sagen lassen, wann seine Ehe zu Ende war.
„Nein.“ Seine Stimme klang hart und endgültig. „Es wird keine Scheidung geben.“
„Warum nicht?“, keuchte Chloe und starrte sein wütendes Gesicht ungläubig an. „Nach allem, was passiert ist, dachte ich, es wäre das, was du wolltest.“
„Es ist nicht das, was ich will“, knurrte Lorenzo. „Eine Reihe von gescheiterten Ehen ist genau was, was ich eigentlich vermeiden wollte.“
„Eine Scheidung ist keine Reihe von gescheiterten Ehen“, erwiderte Chloe. „Außerdem führen wir keine richtige Ehe. Wir waren erst ein paar Stunden verheiratet, als ich feststellen musste, dass du mich nicht …“ Sie zögerte, suchte nach Worten, die nicht zu schmerzvoll auszusprechen waren. Die Erinnerung an seine schonungslose Eröffnung, dass er sie nicht liebte, verfolgte sie seit drei Monaten jeden Tag. „Ich musste gehen. Wir könnten unsere Ehe vermutlich sogar annullieren lassen, wenn du keine Scheidung willst.“
Sobald sie die Worte ausgesprochen hatte, wusste sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Ein Sturm heftiger Emotionen tobte über Lorenzos Gesicht, und bevor sie reagieren konnte, legte er die Hände um ihre Oberarme und zog sie heftig an sich.
„Wir haben uns an unserem Hochzeitstag vielleicht nicht geliebt“, knurrte er und kam dabei so nahe, dass ihre Gesichter nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren, „aber das bedeutet
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