Julia Extra Band 0319
ihr nicht einfach findest“, erklärte Chloe. „Dass du nicht sofort weißt, was du tun sollst. Das kommt mit der Zeit – wichtig ist nur, dass du endlich eine Beziehung zu ihr aufbaust. Dass du anfängst, dich wie ihr Vater zu fühlen.“
„Nein, das tue ich nicht.“
Lorenzos ablehnende Worte ließen Chloe zusammenzucken, und sofort stieg das drängende Gefühl in ihr hoch, ihm zu widersprechen. Natürlich fühlte er sich wie Emmas Vater – es musste so sein.
„Ich bin sicher, dass du so empfindest“, sagte sie sanft. „Vielleicht nur ein wenig. Aber die Verbindung zwischen euch wird mit der Zeit enger werden.“
„Ich will, dass es ihr gut geht und dass sie glücklich ist – ich habe sie adoptiert, und ich stehe zu meinem Wort“, erwiderte er steif, „aber diese guten Vorsätze gründen sich allein auf die Tatsache, dass ich das für ihr weiteres Wohlergehen für wichtig halte. Nicht, weil ich irgendwelche Gefühle für sie entwickelt hätte.“
Chloe starrte ihn an, völlig schockiert über das, was er da sagte. Aber sie konnte spüren, dass hinter seiner ernsten Miene Frustration in ihm brodelte – dass er etwas in seinem Innern zurückhielt.
„Das ist verständlich“, sagte sie vorsichtig. „Sie ist nicht dein eigen Fleisch und Blut, und sie kam ganz plötzlich und unerwartet in dein Leben. Es wird anders sein, wenn sie erst älter ist.“
Sie hielt inne und hoffte auf seine Zustimmung. Gab ihm einen Moment, um etwas zu sagen – irgendetwas. Aber er schwieg weiter – und Chloe fühlte sich verpflichtet, diese Stille zu füllen. Sie konnte das nicht so stehen lassen. Sie konnte einfach nicht.
„Es wird anders sein, wenn du eigene Kinder hast“, meinte sie. „Dann hast du neun Monate Zeit, dich an die Idee zu gewöhnen. Und wenn du es dann das erste Mal siehst, wirst du es sofort lieben.“
„Nein“, widersprach Lorenzo scharf. „Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass ich meine Kinder lieben werde. Ich habe dir gesagt, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um ihnen das Gefühl zu geben, geliebt zu werden – das ist die einzige Garantie, die ich geben kann. Und das ist das Wichtigste.“
„Wie kannst du das sagen?“, keuchte Chloe. „Natürlich wirst du deine eigenen Kinder lieben. Das ist ein natürlicher Instinkt.“
„Nicht für jeden“, meinte er. „Wir beide mussten das am eigenen Leib erfahren. Meine Eltern haben mich nicht geliebt – meine Mutter hat mich mit fünf Jahren an meinen Vater verkauft, um bei der Scheidung mehr für sich herauszuschlagen.“
„Aber … aber sicher bedeutet das doch … zumindest bedeutet es, dass dein Vater dich geliebt hat“, stammelte Chloe, entsetzt über Lorenzos Ausbruch. „Du weißt, dass er dich wollte.“
„Ich war für ihn nur ein notwendiges Übel, nichts weiter“, meinte Lorenzo verbittert.
„Nein.“ Chloe schüttelte abwehrend den Kopf.
„Erzähl du mir nicht, wie meine Kindheit war“, meinte Lorenzo. „Und bevor du mir noch einen Vortrag über die natürlichen Instinkte von Eltern hältst, solltest du dich vielleicht daran erinnern, dass dein Vater an deinem siebten Geburtstags einfach so gegangen ist. Und deine Mutter – sie hat vielleicht gewartet, bis du erwachsen warst, aber wann hast du zuletzt mit ihr gesprochen?“
„Warum bist du so?“, klagte Chloe. „Warum sagst du so schreckliche Dinge?“
„Damit du keine unrealistischen, idealisierten Erwartungen mehr an mich hast“, knurrte Lorenzo. „Ich habe dir versichert, dass ich ein guter Vater sein werde – aber ich kann nicht versprechen, dass ich etwas empfinde, auf das ich keinen Einfluss habe.“
„Wenn du nicht davon ausgehst, dass du deine Kinder lieben wirst – warum willst du dann überhaupt welche?“, warf Chloe ihm an den Kopf. Sie sprang mit Emma in den Armen auf und wich vor ihm zurück. „Was für eine Art Monster bist du?“
Plötzlich wollte sie seine Antwort nicht hören – sie konnte es nicht einen Moment länger ertragen, in seiner Nähe zu sein. Deshalb presste sie Emma an sich und stolperte aus dem Zimmer.
Lorenzo machte keinen Versuch, sie aufzuhalten. Sein Herz klopfte heftig in seiner Brust, und seine Handflächen waren schweißnass.
Chloe hatte ihn ein Monster genannt – und vielleicht war er das. Er war wirklich entschlossen gewesen, das Richtige zu tun, hatte sich Zeit für Emma genommen. Aber er konnte nur an den fünfjährigen Jungen denken, der er einmal gewesen war, verwirrt und verletzt –
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