Julia Extra Band 0319
erwartete – jetzt war nicht die Zeit, ein vermutlich schwieriges Gespräch mit ihm zu beginnen. „Ich lasse dich weiterarbeiten.“
Lorenzo sah Chloe nach, als sie mit dem Baby auf dem Arm sein Arbeitszimmer verließ. Sie hatte Grazzinis Paket vergessen. Oder vielleicht war das auch Absicht gewesen – er hatte den Ausdruck auf ihrem Gesicht gesehen, als er ihr sagte, von wem es war. Erst in dem Moment war ihm klar geworden, dass sie geglaubt hatte, das Geschenk käme von ihm.
Einen Augenblick lang schien es, als wollte sie etwas sagen, doch sie hatte geschwiegen. Er wusste jedoch, worum es ihr ging. Chloe erwartete von ihm, dass er mehr Interesse an Emma zeigte.
Nun, dann würde er das eben tun – er würde mehr Zeit mit den beiden verbringen und Chloe zufriedenstellen, indem er sich um das Baby bemühte. Er war eine Verpflichtung eingegangen, die er zu erfüllen gedachte – er würde ein guter Vater sein und das kleine Mädchen so behandeln, als wäre es sein eigenes. Aber er konnte sich nicht zu Gefühlen zwingen, die er nicht empfand. Gefühle, die einfach nicht da waren.
„Ich bin so froh, dass du endlich eine Beziehung zu Emma aufbaust“, sagte Chloe impulsiv, als sie Lorenzo ein paar Wochen später im Palazzo in Venedig beim Spielen zusah. Obwohl Spielen eigentlich nicht das richtige Wort war. Und Lorenzo auch nicht aussah, als hätte er Spaß.
Dennoch reichte er Emma geduldig eine Reihe von weichen, bunten Klötzen, die sie entgegennahm und ankaute, um ihn anschließend damit zu bewerfen. Sie saß auf dem Teppich und war umgeben von Kissen, weil sie sich noch nicht sicher aufrecht halten konnte. Lorenzo und Chloe saßen ihr gegenüber.
Neben dem Baby wirkte Lorenzo riesig und hilflos, und Chloe runzelte leicht die Stirn, während sie die beiden betrachtete. Es stimmte, dass er ein großer Mann war, aber dessen ungeachtet bewegte er sich stets mit einer beinahe katzenhaften Eleganz. Außer, wenn er mit Emma zusammen war.
„Ja.“ Lorenzos einsilbige Antwort zeigte, wie unwohl er sich fühlte, und Chloe spürte Frustration in sich aufsteigen.
Sie verstand einfach nicht, wieso sich Lorenzo in Emmas Gegenwart nicht entspannen konnte. Fand er das Ganze ermüdend und langweilig? Oder war es nur Unsicherheit, die ihn so sein ließ?
Emma war jetzt sechs Monate alt und offensichtlich kein intellektueller Gesprächspartner. Aber es war faszinierend, mit ihr zusammen zu sein und sie in ihrer Entwicklung zu beobachten, wenn man sich ihrem Tempo anpasste.
Doch Lorenzos Gesicht wirkte wie eine erstarrte Maske, und er versuchte überhaupt nicht, mit ihr zu reden. Gern hätte Chloe gewusst, ob er einfach kein Interesse daran hatte, mit dem Kind zu kommunizieren, oder ob er nur nicht wusste, was er zu ihr sagen sollte.
„Sie mag die Stapelbecher – die da hinter ihr liegen.“ Chloe überlegte fieberhaft, wie sie die Atmosphäre etwas auflockern konnte, aber Lorenzos brütendes Schweigen machte auch sie unsicher.
Er erwiderte nichts, beugte sich jedoch vor, um die Becher zu holen, während Emma mit strahlenden Augen seiner Bewegung folgte. Als er hinter sie griff, drehte sie den Kopf zu weit herum und verlor plötzlich das Gleichgewicht. Sie rollte zur Seite und schlug mit dem Kopf gegen den Stapel mit Plastikbechern. Ihr schriller Aufschrei hallte laut durch das Zimmer.
„Herrje!“, rief Lorenzo und versuchte, sie wieder aufzusetzen. Aber Emma brüllte und drückte den Rücken durch, und es war klar, dass sie wieder umfallen würde, wenn er sie losließ.
Chloes Finger zuckten, weil sie die Kleine gern auf den Arm genommen hätte, um sie und Lorenzo von ihren Qualen zu erlösen. Aber gleichzeitig wollte sie sich nicht einmischen, denn dadurch würde sie es Lorenzo nur noch schwerer machen.
Schließlich gab er sich wirklich Mühe mit Emma. Und sie hatte auch die Sorgen in seiner Stimme gehört, als die Kleine umfiel. Chloe war unglaublich glücklich darüber, dass er endlich etwas für das Kind zu empfinden schien – selbst wenn es ihm nur um ihr Wohlergehen und ihre Sicherheit ging.
„Hier, nimm du sie“, sagte er plötzlich und legte Chloe das weinende Baby in den Arm.
„Mach dir keine Sorgen“, sagte Chloe und wiegte Emma, um sie zu trösten. Sie war enttäuscht, dass er so schnell aufgab. Aber zumindest hat er es versucht, beruhigte sie sich. Das musste etwas bedeuten.
„Sorgen?“, erwiderte Lorenzo kurz angebunden. „Worüber sollte ich mir Sorgen machen?“
„Dass du den Umgang mit
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