Julia Extra Band 0319
schlafende Emma in die Wiege legte. Die Kleine litt an einer schlimmen Mittelohrentzündung, aber zum Glück hatte sie nicht stationär aufgenommen werden müssen. Und obwohl es ihr vermutlich noch immer schlecht ging, hatte sie inzwischen kein Fieber mehr, und auch die Schmerzen waren dank der Trommelfellperforation vorüber.
„Es muss so schlimm wehgetan haben“, meinte Chloe und rieb sich über ihr eigenes Ohr, so als leide sie mit dem Baby.
„Ja, es muss furchtbar gewesen sein. Und ich kann nicht glauben, dass der Arzt gesagt hat, es könnte noch einmal passieren“, erwiderte Lorenzo und erinnerte sich an die Worte des Arztes, dass Kinder zu Ohrinfektionen neigten. „Ich weiß nicht, ob ich es ertragen kann, wenn sie noch einmal so schrecklich weint.“
„Lass uns hoffen, dass es eine einmalige Sache war“, sagte Chloe. „Der Arzt sagt, Jungen neigen eher zu Mittelohrentzündungen als Mädchen.“
Sie setzte sich auf den Rand des Bettes und beobachtete ihren Mann, der nervös im Zimmer auf und ab lief.
Er war so aufgeregt, wie sie ihn vermutlich noch nie erlebt hatte. Zur Hölle – so hatte er sich selbst kaum je erlebt!
„Das war schrecklich“, sagte Lorenzo. „Aber zumindest weiß ich jetzt, was los ist, wenn es noch einmal passiert. Ich habe mich noch nie so hilflos gefühlt.“
Erschöpft rieb er sich mit den Händen über das Gesicht.
„Ich glaube, du fängst an, wie ein Vater zu fühlen“, meinte Chloe sanft.
Abrupt blieb er stehen und dachte über ihre Worte nach. Vielleicht hatte sie recht.
Als er mit Emma in die Notaufnahme gelaufen war, hatte sein Herz schmerzhaft gegen seine Rippen gehämmert, und seine Kehle war ganz eng gewesen, sodass er kaum sprechen konnte. Voller Anspannung hatte er gewartet, bis der Arzt die Diagnose stellte und sagte, dass es Emma bald besser gehen würde.
Wortlos setzte sich Lorenzo auf das Bett neben Chloe und betrachtete Emma, die jetzt in der Wiege schlief.
„Ich glaube, dass du anfängst, sie zu lieben“, fügte Chloe leise hinzu und nahm seine Hand.
Ein Zittern durchlief Lorenzo, und er drückte ihre Hand.
Während der nächsten Tage verbrachte Chloe die meiste Zeit damit, sich um Emma zu kümmern. Das Antibiotikum tat seine Wirkung, und das Baby erholte sich schnell von der Infektion.
Lorenzo, der sich nach dem Vorfall mit Emma zunächst geöffnet zu haben schien, zog sich zu Chloes Leidwesen jedoch emotional wieder völlig von ihr zurück und wurde so unkommunikativ wie zuvor – sodass Chloe sich allein und verzweifelt fühlte.
Auf dem Rückflug von Venedig war sie davon überzeugt gewesen, dass ihre Ehe am Scheideweg stand – dass Lorenzo sie zurück nach England brachte, um sich von ihr zu trennen und sie und Emma aus seinem Leben zu streichen. Darüber machte sie sich jetzt keine Sorgen mehr, denn Lorenzo schien endlich eine echte Beziehung zu dem kleinen Mädchen aufgebaut zu haben.
An dem Abend, als sie aus dem Krankenhaus zurückgekehrt waren und Lorenzo ihr gestand, wie sehr er sich um das Kind gesorgt hatte, war Chloe überzeugt davon gewesen, dass auch ihre Beziehung zueinander Fortschritte machte. Er leugnete seine väterlichen Gefühle für Emma jetzt nicht mehr und fing vielleicht sogar an, sie zu lieben. Deshalb war Chloe in jener Nacht mit neuer Hoffnung im Herzen eingeschlafen, dass sie irgendwann eine wirkliche Familie sein würden. Denn wenn er Emma lieben konnte, dann empfand er vielleicht auch irgendwann etwas für sie.
Doch da täuschte sie sich offenbar.
Die Tage verstrichen, aber Lorenzo ging nicht mehr auf das Thema ein, und wann immer Chloe versuchte, es anzusprechen, kehrte seine schlechte Laune zurück. Er verbrachte viel Zeit mit Emma – aber seine Einstellung gegenüber Chloe schien unverändert. Wenn überhaupt, dann war er noch distanzierter, und das ließ ihre Verzweiflung wachsen. Denn er schien die emotionalen Mauern um sein Herz, die durch das Erlebnis mit Emma eingerissen worden waren, bewusst wieder aufzubauen, und Chloe fühlte sich so alleingelassen, dass sie immer öfter Mrs. Guests tröstliche Nähe suchte.
„Emma scheint es wirklich wieder gut zu gehen“, sagte die Haushälterin und blickte von der Küchenspüle auf, wo sie gerade Gemüse schnitt.
„Ja, so ist es auch“, stimmte ihr Chloe zu und wischte dem Baby mit dem Lätzchen etwas Apfelkompott von der Wange. Sie fütterte Emma jetzt in der Küche – weil sie sich dann weniger einsam fühlte.
„Und sie hat viel mehr Appetit“,
Weitere Kostenlose Bücher