Julia Extra Band 0325
anzuklopfen, und fragte sich, was er zu ihr sagen sollte. Über geschäftliche Dinge konnte er sich selbst mit wildfremden Menschen angeregt unterhalten, aber privat mit ihnen zu plaudern war ihm schon immer schwergefallen. In dieser Hinsicht war er ganz anders als Dillon.
Er klopfte und wartete darauf, dass Morgan antwortete. Doch stattdessen riss ein Mann in grüner OP-Kleidung mit müden Augen und einem dümmlichen Grinsen auf dem Gesicht die Tür auf.
„Hier, nehmen Sie eine“, sagte er und drückte Bryan eine Zigarre in die Hand.
Bryan schätzte ihn auf etwa dreißig, und er schien schon einige Zeit im Krankenhaus verbracht zu haben. So viel zu Morgans oscarreifer Behauptung, dass sie „niemanden“ hatte. Wütend auf sich selbst, weil er einmal mehr auf die Lüge einer Frau hereingefallen war, wandte Bryan sich zum Gehen.
„Hey, warten Sie!“ Der Mann hielt ihn am Arm fest. „Ich nehme an, Sie wollen die andere Mutter besuchen.“
Die andere Mutter? Bryan drehte sich um schaute in das Zimmer. Im ersten Bett lag eine Brünette, vermutlich die Ehefrau des Mannes, und hielt ein in eine Wolldecke gehülltes Baby in den Armen. Hinter ihr teilte ein Vorhang den Raum.
„Vielleicht sollte ich später wiederkommen“, sagte Bryan. Die Situation war ihm auch so schon peinlich genug, und jetzt hatte er auch noch Zuhörer.
„Nein, nein. Kommen Sie herein“, drängte der Mann und zerrte an Bryans Ärmel. „Ich glaube, sie könnte ein bisschen Gesellschaft brauchen“, sagte er leise. „Die Schwestern haben erzählt, dass sie bei der Entbindung allein war. Und sie haben untereinander darüber gesprochen, dass sie nicht verheiratet ist und auch sonst niemanden hat.“ Er errötete. „Das Baby ist nicht von …“
„Nein.“
Bryan schüttelte die Hand des Mannes ab und ging durchs Zimmer. Als er hinter den Vorgang blickte, waren Morgans Augen geschlossen. Er nutzte die Gelegenheit, um sie zu betrachten. Das zerzauste Haar und fleckige Gesicht verrieten, wie schwer die vergangenen Stunden für sie gewesen waren. Insgeheim musste Bryan sie bewundern. Sich nicht abweisen zu lassen, sondern in den Konferenzraum zu platzen und ein Gespräch mit ihm zu verlangen, das war wirklich mutig gewesen. Jetzt zog sie im Schlaf eine Augenbraue hoch, und er verspürte das eigenartige Bedürfnis, sie zu berühren und zu trösten.
Auf der anderen Seite des Vorhangs unterhielt sich der Mann mit seiner Frau. Was gesprochen wurde, konnte Bryan nicht verstehen, aber der Tonfall klang liebevoll. Im Vorbeigehen hatte er einen Blumenstrauß und einen Luftballon mit Glückwünschen gesehen. Bei seiner eigenen Frau hatte Bryan das Blumengeschäft in der Eingangshalle der Klinik leer gekauft und sie mit Geschenken überschüttet, darunter eine Diamanthalskette und dazu passende Ohrringe.
Morgans Seite des Zimmers war kahl und nüchtern. Keine Blumen, keine Luftballons. Keine teuren Geschenke von einem stolzen Vater.
Bryan schluckte. Er versuchte sich Dillon als frischgebackenen Vater vorzustellen, und wie sein Bruder zu Morgan hielt und Verantwortung übernahm. Es gelang ihm nicht. Was hatte Dillon noch gesagt, als er erfuhr, dass sein älterer Bruder Vater wurde? „Besser du als ich“, hatte er hinzugefügt, nachdem er Bryan flüchtig gratuliert hatte.
Was für eine Ironie des Schicksals.
Aus dem Kinderbett neben Morgan kam ein leiser Laut, eher ein Wimmern als ein richtiges Weinen. Sofort öffnete sie die Augen, und ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. „Ich bin hier“, sagte sie sanft und setzte sich mit schwerfälligen Bewegungen auf die Bettkante. „Mommy ist hier.“ Erst jetzt bemerkte sie Bryan.
Nicht zum ersten Mal an diesem Tag räusperte er sich verlegen. Sollte er sich dafür entschuldigen, dass er einfach hereingekommen war? „Hallo“, sagte er nur.
„Hi. Ich wusste gar nicht, dass Sie hier sind. Anscheinend bin ich kurz eingeschlafen.“ Sie wurde rot.
„Ich will nicht bleiben. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie schlafen …“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich wollte nur das Baby sehen und … Brauchen Sie etwas?“
„Nein, danke. Doch … ja … der kleine Koffer, den ich fürs Krankenhaus gepackt habe, wäre schön. Darin ist auch eine Haarbürste.“ Sie lächelte. „Und ein paar andere nützliche Dinge.“
„Wo ist er? Ich lasse ihn holen.“
„Im Hotel.“ Als sie den Namen nannte, war ihm offenbar anzusehen, was er davon hielt. „Offenbar entspricht es nicht Ihren hohen
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