Julia Extra Band 0325
könnte, war für Kim unerträglich.
Tante Claudine hatte ihr geraten, einen Schlussstrich zu ziehen und sich nach einem anderen Mann umzusehen, damit Kim nicht triumphieren konnte. Leider war sie keinem Mann begegnet, der ihr etwas bedeutet hätte – bis jetzt.
Mit Clint Westmoreland würde sie es noch einmal riskieren, jenes Leben zu führen, das sie vor fast zwei Jahren für sich abgehakt hatte. Hier auf der Ranch würde Kim ihr nicht dazwischenfunken können. Alyssa war sich zwar im Klaren darüber, dass ihre Affäre nach dreißig Tagen beendet wäre und nicht für die Ewigkeit gedacht war. Nach einem Monat würde er sein altes Leben wieder aufnehmen, in dem kein Platz für sie war. Aber wenigstens diese dreißig Tage würde sie genießen können.
Sie hatten Spaß miteinander – das war mehr, als man von vielen Beziehungen behaupten konnte. Eine Affäre mit ihm würde ihr Selbstbewusstsein stärken, und sie würde sich wieder ganz wie eine Frau fühlen. Sie würde die Zeit nutzen und auskosten, ehe sie wieder in ihr altes, langweiliges Leben zurückkehrte, das sie in Waco führte.
„Eine schöne Nacht, nicht wahr?“
Chesters Stimme riss Alyssa aus ihren Träumen. Er war neben sie auf die Veranda getreten. Von Tag zu Tag mochte sie den alten Mann mehr – nicht zuletzt deshalb, weil er Clint und seinen Geschwistern treu ergeben war. Es erinnerte sie an ihre Beziehung zu ihrem Großvater und zu ihrer Tante.
„Ja, eine schöne Nacht“, wiederholte sie. Sie war sich sicher, dass er wusste, warum sie in der Dunkelheit hier draußen auf der Veranda stand, und seine nächsten Worte bestätigten ihre Vermutung.
„Manchmal dauert es länger als zwei Tage, bis die Pferde sich an ihre neue Umgebung gewöhnt haben. Manchmal reagieren sie unberechenbar. Clint hat bestimmt alle Hände voll zu tun.“
Offenbar wollte Chester ihr erklären, dass Clint nicht ihretwegen der Ranch so lange fernblieb. Woher wusste er bloß, dass es genau das war, worüber sie sich Gedanken machte?
Clint wäre fast schwach geworden, als er Alyssa im Licht der Laterne betrachtete, deren Schein von draußen in ihr Schlafzimmer fiel. Er hätte zu gerne gewusst, was sie unter der Bettdecke trug, die sie bis zum Hals hochgezogen hatte.
Gut, er hatte ihre Abmachung missachtet und ihr Schlafzimmer betreten. Aber nur, weil Chester ihm erzählt hatte, dass sie nachts auf der Veranda gestanden und auf ihn gewartet hatte.
Zunächst hatte Clint das gar nicht glauben wollen. Doch warum sollte sie ihn nicht vermisst haben? Ihm war es ja genauso ergangen. Zunächst hatte er es sich gar nicht eingestehen wollen. Ob es ihm passte oder nicht – seit sie auf der Ranch war, kreisten seine Gedanken ausschließlich um Alyssa. Eigentlich gefiel ihm das überhaupt nicht.
Wie konnte sie so rasch zum Mittelpunkt seines Lebens werden? Zugegeben, seit Chantelle hatte es noch andere Frauen gegeben, aber keine hatte ihn so sehr beeindruckt. Die Beziehung zu den meisten Freundinnen war darüber hinaus ziemlich oberflächlich gewesen. Was man von seinem Verhältnis zu Alyssa gewiss nicht sagen konnte. Jedes Mal, wenn er sie sah, nahm sie sein Herz mehr und mehr gefangen.
Alyssa bewegte sich im Schlaf und murmelte etwas Unverständliches. Eine Haarsträhne war ihr ins Gesicht gefallen. Er beugte sich hinunter und schob sie vorsichtig beiseite, um sie nicht aufzuwecken. Eigentlich hätte er nicht hier sein dürfen, aber ohne einen Blick auf sie zu werfen, hätte er kein Auge zugemacht. Und nach den Tagen der Trennung wollte er noch einen Moment lang in ihrer Nähe sein.
Ein Teil von ihm – der Vernünftigere? Der Herzlosere? – riet ihm nach wie vor, Alyssa zu meiden und der Ranch noch ein paar Tage länger fernzubleiben. Doch er hatte der Sehnsucht nicht widerstehen können, und obwohl er sich im Stillen darüber ärgerte, wie wenig er sich unter Kontrolle hatte, war er zurückgekommen, sobald seine Arbeit es erlaubte.
Stirnrunzelnd erhob er sich und verließ das Schlafzimmer. Auf dem Weg zu seinem eigenen Zimmer dachte er über die kommenden Tage nach. Wie sollte er sich verhalten? Als er kurz darauf im Bett lag und der Schlaf ihn übermannte, hatte er noch immer keine Antwort auf seine Frage gefunden.
7. KAPITEL
Am nächsten Morgen wurde Alyssa von den Gesprächen der Männer geweckt, die sich unter ihrem geöffneten Schlafzimmerfenster unterhielten. Sie kroch aus dem Bett, streifte ihren Morgenmantel über, trat ans Fenster und spähte hinaus. Unten
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