Julia Extra Band 0325
nicht ganz sicher, wie viel Zeit vergangen war, als ein leises Geräusch ihn aufsehen ließ. Entweder dröhnten seine Ohren immer noch, oder er war müder, als er gedacht hatte. Jedenfalls hatte er nicht gemerkt, wie seine Mutter durch die Hintertür ins Restaurant gekommen war.
Obwohl er gewusst hatte, dass es unmöglich war, Maria rauszuhalten, hatte er gehofft, ihr den Anblick des Lokals in diesem Zustand zu ersparen. Er zwang sich, positiv zu klingen. „Alex und ich haben heute eine Menge geschafft“, sagte er. „Alex meint, wir können am nächsten Wochenende wieder aufmachen.“
Seine Mutter stand stocksteif in der Mitte des Gastraums. „Wie?“, fragte sie mit einem ungläubigen Ausdruck in den dunklen Augen.
„Ich weiß, es sieht schlimm aus“, gab er zu. Aber als er sich umblickte, sah er nur die harte Arbeit, die alle geleistet hatten. „Aber wenn wir uns dahinterklemmen, schaffen wir das, Mama.“
„Aber warum habt ihr den Boden im Gastraum aufgerissen? Die Fliesen waren doch nur in den Toiletten und im Flur zerbrochen.“
„Weil wir keine passenden gefunden hätten.“
„Dein Papa hat die Fliesen ausgesucht. Er hat wochenlang gesucht, um die richtigen zu finden.“
„Ja, ich weiß.“ Genau wie Javier wusste, dass er ewig suchen konnte und trotzdem keine finden würde, die perfekt passten. Er hatte schon mehrfach versucht, ihr das Problem unterschiedlicher Glasuren, des Alterungsprozesses von Saltilloglasur und der Produktionseinstellung bestimmter Designs zu erklären.
Aber es ging ja auch nicht wirklich um die Fliesen. Und nicht einmal um das Restaurant. Es ging um die Leidenschaft seines Vaters. Er war für Maria die Liebe ihres Lebens gewesen. Sogar zehn Jahre später war sie dem Gedenken ihres Ehemanns noch in inniger Treue verpflichtet. Javier bewunderte diese Hingabe und fragte sich, wie es wäre, von einer Frau so geliebt zu werden.
Von Emily so geliebt zu werden.
Dieser Gedanken hätte ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel treffen sollen. Stattdessen kam es ihm so vor, als ob ihm diese Idee schon geraume Zeit durch den Kopf gegangen war. Und ging es ihm nicht vor allem darum bei der Renovierung? Sich selbst zu beweisen, dass er etwas nicht nur zu Ende bringen konnte, sondern dass er auch eine Frau verdiente, die an seiner Seite bleiben würde …
Wahrscheinlich hätte er keinen ungünstigeren Zeitpunkt wählen können, um mit Maria zu reden. Aber dies war seine letzte Chance. War das Restaurant erst wieder geöffnet, würde nur eine weitere Katastrophe Maria dazu bringen, noch einmal zu schließen.
„Es ist eine große Veränderung, aber ich denke, wenn wir fertig sind, wirst du froh sein. Und ich glaube, wenn wir die Terrasse und die Bar renovieren, würde dir das auch gefallen. Ich verstehe ja, wie schwierig es ist, den ersten Schritt zu tun, aber …“
„Nein, Javier. Du verstehst überhaupt nichts . Du siehst dich hier um und siehst ein altmodisches Lokal. Ich sehe das Restaurante genauso, wie es war, als mein Miguel das letzte Mal durch diese Tür kam.“
Mit einer heftigen Handbewegung deutete Maria auf den Eingangsbereich. Automatisch sah Javier in die Richtung und nahm eine Bewegung war.
„Nein. Keine weiteren Veränderungen.“ Maria drehte sich auf dem Absatz um und verschwand.
„Du kannst jetzt rauskommen, Emily“, sagte er mit einem Blick auf den Vorraum.
Emily betrat den Gastraum und wünschte sich, sie wäre ihrem Instinkt gefolgt und unbemerkt wieder hinausgeschlüpft. Sie hatte nicht vorgehabt zu lauschen.
„Es tut mir so leid, Javier. Ich wollte nicht lauschen …“
„Aber du hast alles gehört.“
„Genug“, gab sie zu. Genug, um zu wissen, wie sehr ihn die Weigerung seiner Mutter verletzte. Aber auch, um zu verstehen, warum Maria so gegen diese Veränderungen war.
„Sie muss deinen Dad wirklich sehr geliebt haben.“
„Mehr als alles andere auf der Welt“, stimmte er zu und stützte sich auf den Besenstiel.
„Javier …“
„Vergiss es einfach, okay?“
Ein Teil von Emily war versucht, genau das zu tun. Aber Javier hatte sie ermutigt, für ihre Interessen einzutreten und sich Gehör zu verschaffen. Und das war ihre Gelegenheit, für ihn einzutreten und ihm Gehör zu verschaffen.
„Hier geht es nicht um dich. Das musst du doch wissen. Deine Mutter versucht nur, sich an die Vergangenheit und die Erinnerung an deinen Vater zu klammern.“
„Ich wollte ihr gern beweisen, dass ich das schaffe. Dass ich es verdient habe, dass
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